Die 1000-Dollar-Pille

Die 1000-Dollar-Pille

Liebe Leserin, lieber Leser,

seit einigen Jahren handeln Krankenkassen für Arzneimittel, deren Patentschutz abgelaufen ist, Rabattpreise mit den Herstellern aus. Meist betrifft dies verbreitet verordnete Präparate, etwa zur Blutdrucksenkung oder Herzbehandlung wie Ramipril, Bisoprolol oder Metoprolol. Welche Rabatte dabei zum Tragen kommen, wird unter Verschluss gehalten. So oder so kann es sich aber nicht um gigantische Summen handeln. Denn Medikamente, die nicht mehr dem Patentschutz unterliegen, erfahren in aller Regel eine deutliche Preisabsenkung.

Auf der anderen Seite kommen mehr und mehr Arzneimittel auf den Markt, die wahrlich zu Mondpreisen angeboten werden. Oft können sie nicht einmal einen Nutzen belegen, stellen nur Varianten vorhandener Arzneimittel dar, auch wenn ein Zusatznutzen behauptet wird. Sie erzeugen einen erheblichen Kostenschub. Hinzu kommt, dass die Hersteller versuchen, das Spektrum der in Frage kommenden Krankheiten ständig auszuweiten und dies dann auch in die ärztlichen Leitlinien einfließen zu lassen. (Siehe Artikel „Bio-logicals: Modern, teuer, riskant …“ in Naturarzt 6/2011.)

Man könnte an dieser Stelle fragen: Wie heißt eigentlich die teuerste Tablette der Welt? Derzeit wahrscheinlich Sovaldi®, zumindest ist sie die Prominente unter den Superteuren. Bis Anfang 2015 kos-tete das Medikament mehr als 700 Euro. Pro Tablette. Dann einigten sich Krankenkassen und der Pharmahersteller auf eine Preissenkung, seither wurden fast 500 Euro fällig. Dabei ist zu bedenken: Es handelt sich um die Therapie der virusbedingten Lebererkrankung Hepatitis C, diese dauert oft 24 oder gar 48 Wochen. Tag für Tag eine Tablette. Haben Sie Ihren Taschenrechner parat? Übrigens muss das Medikament mit weiteren teuren Arzneien kombiniert werden. In Deutschland sind rund 300.000 Menschen an Hepatitis C erkrankt, für die Mehrheit von ihnen – nicht für alle – scheint Sovaldi geeignet. Und jährlich kommen 5000 – 6000 Neuerkrankungen hinzu.

Sovaldi (mit Wirkstoff Sofosbuvir) wird von der Pharmafirma Gilead hergestellt. Der Aktienkurs dieses Unternehmens hatte sich in den letzten Jahren verzehnfacht, zuletzt aber wieder etwas nachgegeben. Der Hersteller behauptet, mit Sovaldi spare man Geld, weil es ein neues Konzept für die Behandlung der Hepatitis C darstelle. Womöglich ist die Behauptung nicht aus der Luft gegriffen, denn die frühere Behandlungsform, u. a. mit Interferon, kostete schließlich auch eine Riesenstange Geld (und war wegen Nebenwirkungen berüchtigt).

Trotzdem fragt man sich, wie die absurden Preise dieser Präparate zustande kommen. Die Erforschung der Grundsubstanz mag riesigen Aufwand erfordern. Die angebotenen Präparate sind aber – soweit man es erkennen kann – häufig nur Varianten bereits vorhandener Grundstoffe. In Indien haben die Behörden den Patentantrag der Firma Gilead mit dieser Begründung abgelehnt. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass die exorbitanten Kosten durch den Forschungsaufwand in jedem Fall gerechtfertigt sind.

Wir brauchen uns wahrscheinlich keine Gedanken mehr über eine mögliche Kostenübernahme von Naturheilverfahren durch die gesetzlichen Krankenkassen zu machen. Deren theoretisches Budget wird bereits jetzt und in Zukunft noch viel stärker durch die besagten innovativen Arzneimittel aufgezehrt. Und es scheint niemand da zu sein, der diesen Vorgang bremsen möchte.

Mit besten Grüßen

Ihr Dr. med. Rainer Matejka