Im schlimmsten Fall

Im schlimmsten Fall

Liebe Leserin, lieber Leser,

von allen Seiten wird geraten, „positiv“ zu denken. Und sicher kann eine optimistische Grundhaltung unser Leben vorteilhaft beeinflussen. Doch auch nur dann, wenn wir den Bezug zur Wirklichkeit nicht verlieren. Denn schon oft ist überbordende Begeisterung in realitätsferne Euphorie ausgeartet und hat nicht selten unüberlegte Handlungen nach sich gezogen.
Wie wäre es denn eigentlich, wenn wir angesichts lebensverändernder Entscheidungen den Optimismus mal ganz außen vor ließen und uns – ganz im Gegenteil – die denkbar schlimmsten Konsequenzen unseres Handelns ausmalten? Vor unserem geistigen Auge also ein „worst case“-Szenario kreierten? Das ist ein Gegentrend zu unreflektiertem positivem Denken, von dem ich kürzlich las. Könnten wir mit den ungünstigsten erdachten Folgen leben, dann sollten wir den geplanten Schritt getrost wagen. Nicht unplausibel, würde ich sagen.

Betreiben wir also mal ein wenig Schwarzmalerei – und zwar im Hinblick auf die Alternativmedizin, deren Angebote ja bekanntlich überwiegend keine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse sind. Folgendes Bild: Ein bis dato unbekannter Landesminister fordert in einem Interview ein völliges Verbot der Naturheilkunde. Schließlich sei es ungerecht, dass sich nicht alle Menschen derartige Therapieverfahren leisten könnten. Der Politiker untermauert seine Forderung mit dem Argument, dass die Belege für die „angebliche Wirksam- und Unbedenklichkeit“ vieler Behandlungsmaßnahmen ja sowieso noch ausstünden. Die Aussagen schlagen Wellen, und etliche Bundestagsabgeordnete schließen sich an. In Erhebungen zur Meinung der Bevölkerung antworten viele auf die Suggestivfrage, ob es nicht ungerecht sei, medizinische Verfahren zu erlauben, die sich nicht jeder leisten könne, mit einem klaren „Ja“. Man ermittelt eindeutig eine breite Zustimmung. Gesprächsrunden im Fernsehen betonen, dass die Situation der Naturmedizin in Deutschland gegen das Grundgesetz verstoße, nach dessen Auffassung alle Menschen gleich seien. Gerade wenn es um Gesundheit geht, darf es keine Ungleichheit geben. Es herrscht Einigkeit: Künftig soll auf dem Gesundheitsmarkt nur noch existieren dürfen, was von gesetzlichen Kassen erstattet wird. Alles andere sei als „Paramedizin“ sowieso nicht wissenschaftlich fundiert. Blinde Emotionen haben die an der Diskussion Beteiligten fest im Griff. Diese haben die Ebene der Vernunft längst verlassen. Flugs wird ein Gesetzentwurf zwecks völligem Verbot nicht allgemein anerkannter Heilverfahren eingereicht. Erste Therapeuten verlassen das Land und schlagen ihre Zelte in angrenzenden Städten auf. Stettin, Salzburg, Basel, Straßburg und Eindhoven mutieren zu Hochburgen alternativer Medizin, Dank eifrigem Zuspruch deutscher Patienten.

Sie halten all das für überzogen? Nun, ich auch. Aber wie oft haben wir in den letzten Jahren erlebt, dass Rechtsgrundsätze kurzerhand vom Tisch gewischt wurden …?

Doch nun die gute Nachricht: Selbst bei diesem „worst case“ müsste uns nicht bange sein. Im Gegenteil: Klassische Naturheilkunde mit gesunder Ernährung, Bewegung, Wassertherapie, selbst gesammelten Heilpflanzen, kurzum die breite Palette längst vergessener Hausmittel käme wieder in Mode. Derartige Ansätze bildeten vielleicht sogar eine „Avantgarde“ und könnten Möglichkeiten einbringen, welche die moderne klinische Medizin nicht kennt, längst vergessen hat, oder denen sie sich aus Zeitmangel sowieso nicht widmen kann.

Optimistisch grüßt daher

Dr. med. Rainer Matejka