Über Nacht ist der Garten nicht mehr das, was er im September war. Der Tau auf den Gräsern ist schwerer, manchmal schon ein Hauch von Eis. Wenn die Sonne aufsteigt, fängt sie sich in den Spinnennetzen wie in handgewebten Vorhängen. Der Morgennebel liegt als halbdurchsichtiges Tuch über dem Garten. Die Dahlien im Beet tragen noch immer ihre Röcke in Purpur und Altrosa, aber man sieht ihnen an, dass sie schon an die nächste Einladung denken – eine, die nicht mehr in diesem Jahr stattfinden wird. Und ich? Ich frage mich, bin ich bereit, an der Wurzel zu entscheiden – statt an den schon fast nackten Zweigen zu rütteln? Welcher Verlust ist in Wahrheit ein Zugewinn an Licht? Woran erkenne ich, dass es sich um einen Jahreszeitenwechsel handelt – und nicht nur Wetter? Ja, und welche Rollen in mir gehören auf den Kompost, damit Charakter wachsen kann?
Der Tag, an dem das Zögern starb
Lektionen des Spätherbstes
Thomas Lambert Schöberl, Heilpraktiker