Transparenz kann vielerorts sinnvoll sein

Liebe Leserin, lieber Leser,

derzeit überschlagen sich die unterschiedlichsten Personen im öffentlichen Leben mit Forderungen nach mehr Transparenz im Steuerrecht. Ich wünsche mir auch in vielen anderen Bereichen Transparenz: Bei jeder E-Mail-Adresse sollte erkennbar sein, wer dahinter steht. Dann wäre es nicht mehr möglich, denunziatorisch Menschen an den Pranger zu stellen, sogenannte „Shitstorms“ zu entfachen und manche Menschen psychologisch zugrunde zu richten, wie das beispielsweise mit Lehrern geschieht – skandalöserweise auch noch juristisch gedeckt.

Transparenz wäre wünschenswert auch bei Körperschaften des öffentlichen Rechts, die sich durch Zwangsgebühren finanzieren. So wüsste ich gern, was mit den Geldern der öffentlich rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten passiert. Und wofür die Einnahmen der Krankenkassen tatsächlich ausgegeben werden – jenseits offizieller Statistiken. Interessieren würden mich auch die Quervernetzungen im deutschen Gesundheitswesen. In Deutschland wird zu viel operiert, besonders im orthopädischen Bereich. In Kliniken soll es Zielvereinbarungen über die Zahl durchzuführender Operationen pro Jahr geben. Kein Wunder, dass dadurch viel mehr Operationen durchgeführt werden, als medizinisch nötig wären. Außer einigen Appellen wurde bisher nichts dagegen unternommen, aber wenigstens ist das Problem endlich angesprochen.

Ferner wüsste man gerne mehr über sogenannte „Kick-backs“, also Rückvergütungen für die Vermittlung bestimmter medizinischer Leistungen. Vor allem beim Röntgen soll dies eine große Rolle spielen. Auch hier liegt Deutschland an der Spitze. Ein Ziehen im Nacken? Sofort zum MRT. Ein Schmerz in der Schulter seit gestern Abend? Selbstverständlich zum MRT, mit welchem dann so bestechende Diagnosen wie Kalkeinlagerungen oder Sehnenanrisse gestellt werden – Befunde, die sich häufig auch als Zufallstreffer bei Beschwerdefreiheit finden. In Notfällen und bei unklaren Leiden ist das MRT ohne Zweifel segensreich.

Dass Medikamente in Deutschland teurer sind als in vielen Ländern, ist bekannt. Dass aber in Deutschland hergestellte, erst ex- dann reimportierte Medikamente preiswerter sind, mag verstehen wer will. Absurde Übertherapien finden wir auch in der Psychotherapie. Mokierte sich neulich ein niedergelassener Arzt, dass junge Menschen wegen „Liebeskummer“ zum Psychotherapeuten gehen und dort unter der Diagnose „Anpassungsstörung“ 30 Stunden Therapie zur Bewältigung ihres „Leidens“erhalten. Ein Missbrauch durch beide Seiten. Wenn andererseits ein Patient wegen akuter Angststörung einen Therapeuten benötigt, sind alle ausgebucht …

Man könnte die Liste endlos verlängern. Letztendlich kommt man immer wieder auf die gleichen Erkenntnisse: Es wird von vielem zu viel gemacht und sicherlich das klassische Prinzip der Medizin „nil nocere“ – möglichst nicht schaden – oft missachtet. Zwei Aussagen kommen mir dabei in den Sinn: Ein Gesundheitspolitiker formulierte, dass wir ein erstaunliches Nebeneinander zwischen Unter-, Über- und Fehlversorgung haben. Des Weiteren sagte ein Klinikbetreiber, dass wir uns angesichts des Prassens in Teilbereichen des deutschen Gesundheitswesens alle wundern würden, mit wie wenig es im Notfall auch ginge. Und dabei würde die Naturheilkunde sicher viel Gutes leisten können. Man braucht nur einmal bei Alfred Brauchle, Kneipp und Prießnitz nachzuschlagen.