(Krebs-)Krankheit als Botschaft
Bewusstsein

(Krebs-)Krankheit als Botschaft

Kerstin Chavent

Ob wir krank werden oder nicht, scheint nicht allein daran zu liegen, wie wir uns ernähren und wieviel Sport wir treiben. Große Bedeutung hat das Verhältnis zu uns selbst sowie die Art und Weise, wie wir mit dem Leben umgehen.

Setzen wir uns einen Moment und spüren einmal in uns hinein. Was spüren wir? Unseren Herzschlag, unseren Atem? Den Kontakt unseres Körpers mit der Sitzfläche? Die Luft um uns herum? Unseren Magen? Spätestens hier endet unsere Wahrnehmung. Es sei denn, es gibt ein Problem. Das spüren wir in Form von Anspannung, Pulsieren, Schmerz. Wie sollte unser Körper uns auch sonst mitteilen, dass etwas nicht in Ordnung ist? Er kommuniziert mit uns über das Symptom. Damit bringt er zum Ausdruck, dass es a) ein Problem gibt, und was b) gerade repariert wird.

Meistens jedoch glauben wir –
mit voller Unterstützung derjenigen, die uns ihre Mittel und Dienste verkaufen wollen –,
dass unser Körper uns mit Krankheit ärgern oder strafen will. Das Symptom muss ruhig gestellt werden, das Problem muss weg. Die moderne Medizin erlaubt es uns heute, einfach den Stecker zu ziehen, so dass wir die blinkende Alarmleuchte dann nicht mehr sehen. Das Problem haben wir damit allerdings nicht gelöst.

Ob es nun ein Schnupfen ist oder eine Krebserkrankung, dahinter steht dieselbe Aufforderung: Kümmere Dich um mich! Anstatt nun gleich schwere Geschütze aufzufahren, können wir erst einmal zuhören, was unser Körper uns zu sagen hat. Vielleicht verstehen wir dann, dass er vor allem eines braucht: unsere Unterstützung. Jahrtausende lang war genau das die Rolle der Medizin. Sie unterstützte die natürlichen Selbstheilungsprozesse des Körpers und half ihm so, in sein Gleichgewicht zurück zu finden.

Doch unsere heutige Medizin basiert nicht auf diesem Prinzip, denn anstatt das Leben zu schützen, versucht sie es sich untertan zu machen. Zwar vollbringt sie in technischer Hinsicht Großes, doch sie hat keinen Zugang zu der Information darüber, was eigentlich das Leben in uns ausmacht. Sie hat uns fein säuberlich in unsere kleinsten Einzelteile zerlegt und vermag doch nicht zu ergründen, was das Ganze zusammen hält.

Das, was uns am Leben erhält, spielt sich auf einer Ebene ab, die nicht materiell erfassbar ist. Niemand kann es wissen – nur wir selbst können es spüren. Ich allein habe Zugang zu dem, was mir Leben gibt. Was treibt mich an? Was gibt mir Lust, in diesem Körper, an diesem Ort zu sein? Was begeistert mich, füllt meinen Körper mit Geist, mit Atem, mit Leben?

Schließlich ist der Mensch ein hochentwickeltes Wesen mit immensen und bisher noch weitgehend unausgeschöpften Fähigkeiten. Unser Körper hat sich über Jahrmillionen zu einem Wunderwerk entwickelt, das nach ganz präzisen biologischen Gesetzen funktioniert. Wenn in ihm über Jahre hinweg ein Tumor wächst, dann geschieht das nicht einfach so.

Eine potenziell lebensbedrohliche Krankheit wie Krebs kann ein Hinweis sein, dass in mir eine Leere entstanden ist, ein Raum, der mir entglitten ist, in dem ich mich nicht mehr orientieren kann. Ich weiß nicht mehr, in welche Richtung ich in meinem Leben gehen soll. Die entstandene Leere in mir wurde nun mit etwas anderem gefüllt. Der normale Kopierprozess bei der Zellteilung ist ausgehebelt und anstatt in der herkömmlichen Ordnung zu bleiben, haben einzelne Zellen begonnen, sich unkontrolliert in alle möglichen Richtungen auszubreiten. Sie haben die Orientierung verloren – so wie ich in meinem Leben?

Krebszellen sind so gefährlich, weil sie nicht der Apoptose, dem natürlichen Programm der Selbstzerstörung, das jeder Zelle innewohnt, folgen. Sie sind damit in gewisser Weise unsterblich. Sie wollen leben, so lange wie möglich, auch wenn sie dabei letztlich ihren Gastgeber zerstören. Können wir uns vorstellen, dass Krebs also im Grunde genommen gar kein Todesschrei ist, sondern ein Ruf des Körpers nach mehr Leben? Ein Versuch, unserem Leben eine neue Orientierung, einen neuen Sinn zu geben? Eine Aufforderung, authentischer zu leben, ehrlicher, näher bei uns? Eine Einladung, uns zu nehmen wie wir sind, mit unseren Schwächen, Empfindlichkeiten und Grenzen? Eine Ermutigung, nicht anders sein zu wollen, sondern so, wie wir sind, nicht uns ändern zu wollen, sondern allein unsere Haltung zu den Dingen?

Das können wir jetzt tun. Sofort. Ob krank oder gesund. Wir können jetzt beschließen, die Dinge so anzunehmen, wie sie sind, selbst dann, wenn sie Tumor heißen. Wir können sie uns ansehen, ohne uns zu verstecken oder darin zu versenken. Nehmen wir sie einfach wahr als das, was sie sind: Botschaften. Schließlich ist alles in unserem Universum im Grunde Information. Schicken wir mit unserem Blick Licht in die Dinge und machen uns diese bewusst. Alles Dunkle muss letztendlich dem Licht weichen. Es ist so, als öffneten wir eine Tür: Nicht das Dunkel kommt heraus, sondern das Licht fällt hinein und zeigt uns eine neue Richtung.

Foto: contrastwerkstatt/Fotolia