Suizidale Krise – offene Gespräche und Medikamente
Was mir geholfen hat

Suizidale Krise – offene Gespräche und Medikamente

Krisen gehören zum Leben, zu unserer Entwicklung. Erlebt man sie aber so ausweglos, dass man am eigenen Dasein zweifelt und denkt „wie wäre es, wenn ich nicht mehr da wäre?“, ist schnelle professionelle Hilfe wichtig. Marion Jettenberger, selbst erfahrene Therapeutin, hätte nie für möglich gehalten, dass auch sie einmal ein solches Daseins-Tief erfasst.

Meine Depression schien nach neun Monaten überwunden, und ich konnte das Antidepressivum ausschleichen. Da klingelte das Telefon: „Unser Kollege hat sich umgebracht!“ Was für ein Schock! So ein wunderbarer Mensch, mitfühlend, offen und immer lösungsorientiert. Auch für mich war er da gewesen und hatte mich während meiner Depression unterstützt. Nun war er tot – bevor ich mich richtig bei ihm bedanken konnte.

Die Nachricht wühlte mich auf und beschäftigte mich Tag und Nacht. Mit dem Kollegen ist ein Stück Empathie von dieser Welt gegangen. Solche Menschen haben es schwer in einer Umgebung voller Missgunst. Nun hatte er seinen Frieden, und ich konnte ihn irgendwie verstehen. Diese Gedanken ließen sich nicht mehr abschalten.

Niederschreiben der Gedanken entlastete

Plötzlich kam ein schriller Gedanke hinzu: „Ich nehme mir mein Leben“. Ich hielt dagegen, denn ich mag mein Leben, auch wenn es mir mal schlecht geht. Schließlich war ich eine junge Frau mit 33 Jahren und viel Pepp! Doch der Gedanke schien sich im Gehirn einzubrennen. Ich musste darüber reden. Mein Lebenspartner war schockiert und irritiert, genau wie mein Vater. „Marion, Du musst dringend in Behandlung!“ Ich fand das überzogen und beschloss, mit niemandem mehr darüber zu reden. Wenn es mir schlechter gehen sollte, wollte ich mich an eine Kollegin wenden oder in eine psychiatrische Klinik gehen. Die Gedanken kamen weiterhin – ganz ohne Angstgefühle. Ich beschloss, sie niederzuschreiben. Wenn Gedanken ausgesprochen sind, haben sie weniger Macht über uns. Werden sie jedoch immerzu unterdrückt, braucht dies enorme Kraft und Energie. Leider unterliegen Krankheiten der Seele in unserer Leistungsgesellschaft einem Tabu. Das belastet zusätzlich.

Foto: WavebreakMediaMicro/Fotolia

Den Artikel zu dieser redaktionellen Einleitung finden Sie in der Naturarzt-Druckausgabe 9/2016