Liebe Leserin, lieber Leser,
einer der Väter der klassischen Naturheilkunde ist Vinzenz Prießnitz (1799 – 1851), dessen Hauptkonzept auf der Behandlung mit vorzugsweise kaltem Wasser, Wickeln und körperlicher Betätigung beruhte. Der Deutsche Naturheilbund (DNB) trägt bis heute den Namen „Prießnitz-Bund“ im Untertitel. Ich erinnere mich gern an die Jubiläumsfeier zum 200. Geburtstag von Vinzenz Prießnitz im Jahr 1999 in Stuttgart. Und hier besonders an den Festredner Dr. Otto von Habsburg (1913 – 2011), den ich stolz mit „Seine kaiserliche und königliche Hoheit“ anmoderieren durfte. Ein faszinierender Mann, der das gesamte Europa – von Portugal bis zur Ukraine – verinnerlicht hatte und damit auch Herkunft und Wirkstätte von Vinzenz Prießnitz im früheren Österreichisch-Schlesien, heute zu Tschechien gehörend. Dort gibt es nach wie vor ein Prießnitz-Sanatorium und sogar eine Quelle des Deutschen Naturheilbundes. Um die Kontakte zur Wirkstätte von Prießnitz und die Quelle hat sich besonders der frühere DNB-Präsident Alois Sauer verdient gemacht. Ich selbst war bislang nie vor Ort gewesen. Ende Mai hat sich das geändert. Sozusagen von hintenherum aus der ungarischen Puszta, über Košice (dt. Kaschau) in der Ostslowakei kommend, die Hohe Tatra umrundend, vorbei an Mährisch Ostrau (CZ: M.Ostrava) und Troppau (CZ: Opava), erreichte ich über Nebenstrecken durch das Altvatergebirge Freiwaldau (mit dem Gräfenberg CZ: Láznĕ Jesenik), an dem Prießnitz wirkte.
Das bekannte Prießnitz-Sanatorium ist sofort zu erkennen. Von dort schweift der Blick über die atemberaubend bewegte Landschaft bis zum höchsten Berg „Altvater“ (CZ: Praděd) mit 1492 m. Prießnitz wird nicht nur auf irgendeiner Gedenktafel erwähnt. Sein Name taucht sozusagen überall auf. Er ist der Superstar der gesamten Region! Seitlich neben dem Sanatorium befindet sich mit der „Priessnitzova“ ein wunderbarer, ebener Rundweg, auf dem man auch am Mausoleum von Prießnitz und etlichen Denkmälern dankbarer Patienten (und Länder) vorbeikommt. Ein weiträumiger Quellenpark erstreckt sich rückwärtig, wobei jede Quelle einen anderen Stifter hat. Dort befindet sich auch die Quelle des Deutschen Naturheilbundes mit Gedenktafel.
Als Kurgast kann man Kneipp-Becken und die berühmten Waldduschen nutzen, die zum Teil in kabinenartigen, hölzernen Konstrukten das Wasser auf den Kurgast herableiten. Zwischen Mauern kann man sich auf Knopfdruck von waagrecht und mit hohem Druck spritzendem, kalten Wasser bearbeiten lassen. Anschließend ruht man auf hölzernen Podesten am Waldrand aus und lässt sich von der Sonne wieder erwärmen. Kurzum: alles sehr schön, sehens- und erlebenswert. Arzneifreie Medizin – zeitlos wirksam. Wie erfreulich, dass diese Kuranlagen auch weiterhin intensiv genutzt werden.
Dr. med. Rainer Matejka