Liebe Leserin, lieber Leser,
in den 1970er Jahren betrug der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ca. 7 % des Bruttolohns, heute sind es im Durchschnitt 14,6 % plus Zusatzbeitrag. Tendenz: deutlich weiter steigend! Vom GKV-Beitrag zahlt der Arbeitgeber die Hälfte, den Zusatzbeitrag trägt der Versicherte allein. Die Steigerungen klingen auf den ersten Blick moderat. Die Lohnsummen haben sich jedoch laut statistischem Bundesamt Destatis seit Mitte der 1970er Jahre im Schnitt verfünffacht. Da sich die GKV-Beiträge an der Lohnsumme bemessen, sind sie seit Mitte der 1970er Jahre faktisch um mehr als das Zehnfache angestiegen. Ist das Gesundheitswesen heute mindestens zehnmal so gut wie 1975? In manchen Bereichen ganz sicher. Es ist sogar unendlich viel besser, denn 1975 gab es weder CT noch MRT, auch keine minimal-invasive Chirurgie und ebenfalls nicht die ausgeklügelten Therapiekonzepte für Herzerkrankungen. In anderen Bereichen ist es allerdings schlechter geworden: mit der medizinischen Versorgung auf dem Land, der mangelhaften Versorgung alleinstehender, betagter Menschen, immer längeren Wartezeiten auf Arzttermine und den vielen „Fehlanreizen“ des Systems, die zu einem kostenintensiven Nebeneinander von Unterversorgung, Überversorgung und Fehlversorgung führten.
Geld ist meines Erachtens genug im System, eigentlich viel zu viel. Es wird nur oft nicht zielgerichtet eingesetzt. Endlich denken auch Krankenkassen und Ärzteverbände um. So forderte der Vorsitzende der Techniker-Krankenkasse ein Ende versicherungsfremder Leistungen und ein konsequentes Vorgehen gegen Fehlanreize, die zu viel mehr Arztbesuchen, Diagnostik und Therapien führen als nötig. Denn immer noch haben Deutsche deutlich mehr Arztkontakte im Jahr als alle anderen Europäer, bei mäßigen Resultaten in Bezug auf den Gesundheitsstatus und die Lebenserwartung. Sehr gut brachte der Präsident der Hessischen Landesärztekammer, Edgar Pinkowski, es kürzlich auf den Punkt: „Wir werden prüfen müssen, welche Leistungen wirklich unverzichtbar sind. Wir werden den Begriff der Eigenverantwortung neu diskutieren müssen. Wir müssen unser Gesundheitssystem von einem Patientenirrgarten in einen übersichtlichen Pfad überführen. Wir brauchen Kreativität, Pragmatismus, Entschlossenheit.“ Dem kann man nur zustimmen. Wer sich dem Thema „Gesund leben“ annähert, ist schon auf dem richtigen Weg. Wie wir heute wissen, hängen gut 30 % aller Erkrankungen sehr eng mit Ernährung zusammen. Bei Bewegung ist es ähnlich und was den Umgang mit Stress anbelangt, ebenfalls. Gesunde Ernährung, Bewegung und Stressmanagement („Ordnungstherapie“) sind Kernanliegen der Naturheilkunde, ebenso wie fachübergreifende Therapieansätze. Vielfach hat man das nur noch nicht bemerkt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. med. Rainer Matejka