Adieu, Askese!

Adieu, Askese!

Liebe Leserin, lieber Leser,

mit „Irrungen und Wirrungen“ ließen sich die wissenschaftlichen Ernährungsempfehlungen der letzten Jahrzehnte wohl passend betiteln. Wie klar und treffend ist hingegen die 2400 Jahre alte Einschätzung des Hippokrates, der von Studien – jedenfalls in Form des heutigen Standards – noch keine Ahnung hatte: „Gehe sparsam mit tierischen Nahrungsmitteln um, bevorzuge pflanzliche Frischkost.“ Simpler und besser kann man es kaum formulieren.

Das Deutsche Ärzteblatt berichtet seit Monaten über einen Diskurs zwischen Ärzten für Präventionsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE): Zahlreiche bisherige Empfehlungen musste die DGE zurücknehmen oder konkretisieren. Alte Dogmen sind nicht mehr gültig.

So wurde die Regel, man solle reichlich Getreideprodukte und Kartoffeln verzehren, ersatzlos gestrichen. Ferner dürfen Eier jetzt nicht nur in Maßen verzehrt werden, sondern auch häufiger, da die früher behaupteten ungünstigen Auswirkungen letztendlich nicht bestätigt werden konnten. Auch bei den Fetten tut sich Bemerkenswertes: Das jahrzehntelange Fett-Bashing („Fette machen dick und sind auch sonst ungesund!“) ist vorüber. Die Fettzufuhr darf also erhöht werden. Bestimmte Fettsäuren wie Omega-3 hätten einen nachhaltigen inzwischen vielfach bestätigten Gesundheitsnutzen.

Fachleute kritisieren allerdings die teilweise halbherzigen Aussagen der DGE: Zucker werde immer noch zu sehr verharmlost. Er sei eben nicht nur „leere Kalorie“ und für die Förderung von Karies verantwortlich. Vielmehr wirkten vor allem komplexe Fruktose-Glukose-Mischungen in zahlreichen Fertignahrungsmitteln appetitsteigernd und stimulierten das Suchtzentrum im Gehirn. Dadurch komme es zu hohen Insulinspiegeln, Übergewicht, Diabetes, Herzinfarkt und Krebs.

Alkohol wurde bislang nur gelegentlich und in geringen Mengen empfohlen. Neuerdings wird von jeglichem Konsum abgeraten. Präventionsmediziner aber behaupten, „die aktuelle Datenlage“ belege einen gesundheitlichen Vorteil bei moderatem Alkoholkonsum, insbesondere von Wein. Der Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung (UGB) bemängelt darüber hinaus, dass die neuen Richtlinien der DGE Nachhaltigkeit vermissen lassen. So werden regionale, saisonale und ökologische Produkte nicht durch explizite Hinweise bevorzugt.

Wie verhält es sich mit der naturheilkundlich orientierten Ernährung? Diese lag mit ihren Empfehlungen – im Großen und Ganzen betrachtet – schon lange richtig. In einem Punkt aber sollten ihre Anhänger nicht übertreiben: Der Getreide-Fetischismus, der sich über Jahrzehnte etabliert hatte, hat ausgedient. Vor allem die Befürwortung des Verzehrs glutenhaltiger Getreidesorten kann nicht aufrechterhalten werden. Mit dem Umdenken ist es endlich auch Zeit für angepasste Ernährungspyramiden. Diejenigen, welche Getreide und Brot als Basis aller gesunden Kost propagieren, sind wahrlich überholt.

Wer sich an klassisch mediterraner Kost orientiert und/oder als Flexitarier (gelegentlich Fisch oder Fleisch, sonst vegetarisch) bzw. Pescovegetarier (zuweilen Fisch, sonst vegetarisch) lebt und abends auch noch die Kriterien der Trennkost beachtet, liegt richtig. Und Achtung: Gesunde Ernährung ist Genuss und sicher nicht gleichbedeutend mit humorloser Askese!

In diesem Sinne wünscht ein gesundes und glückliches Jahr 2018

Dr. med. Rainer Matejka