Vitamin B schadet – dem, der keines hat

Vitamin B schadet – dem, der keines hat

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Sind Vitamingaben wirklich gefährlich?“, fragt die Überschrift eines Fachartikels und suggeriert damit bereits, was der Beitrag im Weiteren ausführen soll: Vitamine seien, vor allem hochdosiert, potenziell schädlich.

Tatsächlich steht die klinische Medizin Vitamin-Gaben kritisch gegenüber. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sie häufig gar nicht erst auf mögliche Mangelzustände untersucht, sondern unspezifische Befindlichkeitsstörungen oft lieber „auf das Alter“ oder in den Bereich der Psychosomatik schiebt. Eine positive Ausnahme stellt in den letzten Jahren die Neurologie dar, die zumindest bei der Diagnose „Polyneuropathie“ bzw. unklaren Schmerzzuständen nach einem Defizit an Vitamin B12 fahndet. Dagegen behauptet die Ernährungswissenschaft weiterhin mit nahezu totalitärem Gebaren: Wer sich „ausgewogen“ ernährt, benötigt keine zusätzlichen Vitamine und Mineralstoffe.

Die Realität aber sieht oft anders aus. Hier sind auch bei scheinbar ausgewogener Ernährung Mängel keine Seltenheit. Besonders an Vitamin B12, Eisen, Zink, Selen und Q10 fehlt es. Schwierig festzustellen ist übrigens ein Magnesium-Defizit. Offenbar führen trotz theoretisch ausreichender Zufuhr zwei Aspekte in den Mangelzustand: eine ungenügende Nährstoffaufnahme über den Verdauungstrakt und ein erhöhter Bedarf, der gedeckt werden will. Allgemein bekannt ist inzwischen die schlechte Versorgung mit Vitamin D, die nicht nur mit zu geringer Sonneneinstrahlung zu tun hat, sondern auch mit unzureichender Aktivierung der Vitamin-D-Vorstufen durch Leber und Niere. Eine Fähigkeit, die mit zunehmendem Alter nachlässt.

Kommen wir nochmals auf den genannten Fachartikel zurück. Der Autor, ein Schweizer Kollege, schreibt vom Risiko eines keimtötenden Effektes bei hoher Zufuhr von Vitamin A in der Schwangerschaft. Auch über die Nahrung zugeführtes Vitamin A könne gefährlich werden. Hier führt der Experte ausgerechnet das Beispiel einer Truppe auf Antarktis-Expedition an, die durch reichlichen Verzehr von Eisbären-Leber eine Vitamin-A-Vergiftung erfahren hat … Des Weiteren wird bei Überdosierung von Vitamin A vor einer blockierenden Wirkung auf Vitamin D gewarnt. Und dann findet natürlich noch die Uralt-Studie Erwähnung, deren Ergebnissen zufolge Raucher durch eine Dosis von 20 – 30 mg täglich Provitamin A, also Beta-Karotin häufiger an Lungenkrebs erkranken sollen. Allerdings ist diese drastische Nebenwirkung für mit der Nahrung zugeführtes Beta-Karotin nicht bekannt.

Zu guter Letzt geht der Experte auf Vitamin C ein und bestätigt die alte Forschung von Linus Pauling aus den 1970er Jahren, wonach hohe Dosen des Mikronährstoffs offenbar eine Krebsschutzwirkung entfalten. Zumindest bei einigen Dickdarmkrebsarten scheint dies der Fall zu sein. Ganz so ablehnend gegenüber Vitaminen, wie die Überschrift vermuten lässt, stellt sich der Artikel nach der Lektüre dann also doch nicht dar.

Die Praxis zeigt: Gerade in Bezug auf Vitamin B12, D, Mag-nesium und – vor allem bei jungen Frauen – auch Eisen sollte man wachsam sein. Eine Ergänzung (in vielen Fällen als Injektion) ist einfach, ungefährlich und kann zahlreiche Beschwerdebilder lindern. Nach Defiziten zu suchen, ist im medizinischen Alltag leider keineswegs ein gängiges Verfahren, dafür jedoch häufig äußerst sinnvoll.

Herzlich grüßt

Ihr Dr. med. Rainer Matejka