Weniger (Essen) ist mehr (Leben)

Weniger (Essen) ist mehr (Leben)

Liebe Leserin, lieber Leser,

ein großer Klinikbetreiber wirbt in seiner Anzeigenkampagne mit dem Claim: „Krankenhaus neu denken“. Klingt gut! Und erfreulicherweise finden wir diese gedankliche Öffnung inzwischen in vielen heilkundlichen Bereichen – auch in der Ernährungsmedizin.

Auf einer internationalen Tagung berichtete der amerikanische Forscher Mark Maddock über eine Tendenz zur Hirnverkleinerung und Lebensverkürzung bei Hunden, die ständigen Nahrungszugang hatten. Täglich drei Hauptmahlzeiten und diverse Snacks zwischendurch versorgten das Gehirn praktisch rund um die Uhr mit reichlich Glukose.

Wird die gesamte Nahrungsmenge von 24 Stunden auf eine einzige große Mahlzeit zusammengelegt und es den Tieren freigestellt, wann sie sie verzehren, ergibt sich folgendes: Sämtliche Versuchstiere fressen die gesamte Nahrungsmenge innerhalb von 6 Stunden komplett auf. Automatisch bedeutet dies ein anschließendes 18-stündiges Fasten. Das Gehirn muss deshalb seine Energie vermehrt durch Lipolyse (Fettsäureverbrennung) in Form von Ketonkörpern gewinnen. Diese regen unter anderem die Produktion wichtiger Enzyme, beispielsweise von Acetyl-Coenzym A an. Das Gehirnwachstum und – das ist das Erstaunliche – dessen Plastizität werden den Forschungsergebnissen zufolge gefördert. Die Lebenserwartung der Tiere verlängert sich.

Der Forscher James Mitchell aus Boston beschreibt die positiven Effekte von kalorisch reduzierter Ernährung auf Ratten und Mäuse, die durchweg länger lebten und weniger Krankheiten aufwiesen als „normal“ ernährte Tiere. Auch die Proteinreduktion in der Ernährung scheint nachhaltige Vorteile zu haben.

In einer Versuchsanordnung wurde Nahrung mit 90%igem Kohlenhydratanteil (also das Gegenteil von „low carb“) und 10%igem Fettanteil verabreicht. Der Proteinanteil war demnach mehr als überschaubar. Es zeigte sich eine deutliche Steigerung der Stressresistenz der Versuchstiere, wahrscheinlich eine Folge der Kalorienbeschränkung über das reduzierte Eiweiß. Keine günstigen Effekte brachte dagegen die starke Verminderung der Fettanteile.

Das intermittierende Fasten in der 1-0-Variante (jeden zweiten Tag fasten, den „Zwischentag“ normal essen) führte bei Ratten und Mäusen zur Verminderung von Schlaganfällen, Parkinson und Alzheimer. Besonders bei Alzheimer können Gehirnzellen Glukose als Energieträger offenbar schlechter verwerten als Ketonkörper.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass inzwischen renommierte internationale Zeitschriften wie die New York Times berichten, dass Fastenkuren immer mehr Akzeptanz gewinnen. Das Wissenschaftsmagazin Science titelt „It‘s time to fast” („Es ist Zeit zu fasten“) – und zwar zur Prävention und Therapie chronischer Erkrankungen.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Akteure im Mikrokosmos des deutschen Gesundheitswesens mit seinen „Richtgrößen“ das auch verstehen lernen. Denn dann müsste man das deutsche Gesundheitswesen an vielen Stellen „neu denken”. Das ist angesichts seiner Ineffizienz (im internationalen Vergleich hohe Kosten bei oft nur mäßigen Ergebnissen), an vielen Stellen mehr als überfällig …

Intermittierende Grüße,
Dr. med. Rainer Matejka