Wie wir uns unter- und überversorgen

Wie wir uns unter- und überversorgen

Liebe Leserin, lieber Leser,

vor geraumer Zeit rief das Deutsche Ärzteblatt eine Initiative namens „Klug entscheiden“ ins Leben. Diese will Medizinern Hilfestellung auf unterschiedlichen Fachgebieten geben – mit dem Ansinnen, unnötige Diagnostik und Therapien zu vermeiden.

So lassen diese Richtlinien beispielsweise verlauten, dass ein erhöhter Harnsäurespiegel ohne Beschwerden – im Sinne einer Gicht bzw. Nierensteinen – keinen Grund für eine medikamentöse Senkung darstellt. Als sinnvoll hingegen wird empfohlen, einerseits die Trinkmenge zu steigern und andererseits Fleisch, Wurst, Alkohol und Fruktose zu reduzieren. Ein sogenannter stummer Harnwegsinfekt, bei dem sich im Rahmen einer Routineuntersuchung zwar vermehrt Bakterien im Urin finden, aber keine subjektiven Beschwerden  bestehen, ist laut Deutschem Ärzteblatt kein Grund für eine Antibiotikabehandlung. Und das „Volksleiden Rückenschmerz“ verschwindet häufig ohne jeden diagnostischen Befund ganz von allein. Erst wenn nach rund sechswöchiger Behandlung keine deutliche Besserung des Beschwerdebildes zu erkennen ist, sollten bildgebende Verfahren wie Röntgen und MRT zum Einsatz gelangen. In der Praxis aber findet sich oft eine andere Realität: Viel zu schnell und zu oft wird rezeptiert, verordnet, geröntgt.

Das Prinzip der klugen, ja besonnenen Entscheidung wünscht man sich auch für andere Bereiche. Hektisch erlassene Fahrverbote für alle Dieselfahrzeuge unterhalb der EURO-6-Norm – LKW und Lieferwagen sollen damit jedoch nicht behelligt werden – werden sicherlich nicht zur Rettung der Menschheit beitragen. Wieder einmal hat man sich wie ein Kampfhund verbissen: in einen Teilaspekt der Umweltbelastung. Es ist schon jetzt absehbar, dass monatelange Diskussionen, hohe Kosten und viel Bürokratie folgen. Jedenfalls Maßnahmen, die in keinem Verhältnis zum wirklichen Nutzen für die Umwelt stehen und, so muss man annehmen, letzten Endes zusätzliche Belastungen heraufbeschwören.

Deutschland ist Weltmeister in Sachen Großankündigung, vor allem, wenn es um Belange der Umwelt geht. Und nicht nur das! Als strenger Punktrichter verteilen wir in diesen Fragen auch gern Haltungsnoten an andere Länder. Doch wirklich effiziente Neuentwicklungen, wie z. B. innovative Antriebstechniken werden verschlafen. So berichtete ein Beitrag des Fernsehsenders BR-alpha kürzlich, dass sich deutsche Autobauer bislang nicht sonderlich interessiert daran zeigen, Elektroautos zu verkaufen. Sie bieten zwar inzwischen einige Modelle an, doch nur, um damit statistisch die „Flottenemission“ zu senken, wie es die EU vorschreibt.

Im Sinne der Umwelt klug entscheiden sieht anders aus. Es könnte heißen, Ampelschaltungen zu entwickeln, die den Verkehr „verflüssigen“. Und auch hierzulande eine zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen einführen – wie in allen anderen Ländern weltweit gang und gäbe. Und schließlich: Wie wäre es mit dem zügigen Ausbau eines modernen Bahnsystems? Wer ein solches etwa in Spanien oder Frankreich – von Japan mal ganz zu schweigen – erlebt hat, empfindet die Deutsche Bahn mit ihren ständigen „Störungen im Betriebsablauf“ als rückständig und peinlich …

Mit klugen Entscheidungen, einer geschickten, wohlüberlegten Vorgehensweise und schließlich einer flinken Umsetzung wäre Umwelt wie Wirtschaft gedient.

Mit entschiedenen Grüßen,

Ihr Dr. med. Rainer Matejka