Naturheilärztlicher Rat

Verkalkte Herzkranzgefäße

Dr. med. Volker Schmiedel

Ich (67, männl.) war schockiert, als mir mein Internist mitteilte, dass alle Herzkranzgefäße verkalkt sind. Ich rauche nicht, trinke keinen Alkohol und ernähre mich fast vollständig vegetarisch – und nun so ein Ergebnis! Können auch Ärger oder zu wenig Bewegung eine Gefäßverkalkung begünstigen? Oder schaden mir die Nahrungsergänzungsmittel mit Kalzium? Wie bekomme ich die Verkalkung wieder weg? Der Internist hat mir ASS-100-mg-Tabletten verschrieben. Kann dieses chemische Präparat helfen? Neulich habe ich eine Anzeige über die Schwarz-Beere gelesen, die nur in Neu-England wächst und von Wissenschaftlern in Boston als das perfekte Bio-Putzmittel für die Adern gelobt wird. Was ist davon zu halten?

Die koronare Herzkrankheit (KHK) wird von vielen Risikofaktoren beeinflusst. Jeder einzelne erhöht die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der Krankheit beziehungsweise beschleunigt das Fortschreiten. Zum Beispiel müssen Sie mit einem hohen Cholesterinwert allein noch keine KHK bekommen, die Wahrscheinlichkeit dafür nimmt aber zu. Auch wenn Sie nicht rauchen, können sich trotzdem die Herzkranzgefäße verengen, bei Rauchern geschieht dies aber deutlich häufiger.

Die „klassischen“ etablierten Risikofaktoren für eine KHK sind Rauchen, Diabetes, Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhte Blutfette und Harnsäure. Beim Gesunden ist man bei der Bewertung dieser Faktoren etwas „großzügiger“ als beim Gefährdeten oder bereits Erkrankten. Beispielsweise ist man beim Gesunden mit einem „bösen“ LDL-Cholesterin von unter 150 mg/dl zufrieden. Es sollte aber beim Vorliegen anderer Risikofaktoren nicht höher als 130 mg/dl sein. Liegen bereits eine Gefäßerkrankung oder ein Diabetes vor, so wird ein LDL-Wert unter 100 gefordert.

Neben den klassischen Risikofaktoren ist auch an Bewegungsmangel und Stress zu denken. Wenn man sich vor einer KHK schützen will, sollte man sich mindestens dreimal pro Woche eine halbe Stunde mit Ausdauersport in seinem individuellen Ausdauerbelastungsbereich bewegen. Manche nichtrauchende, sportliche Vegetarier wundern sich, warum sie eine koronare Herzkrankheit bekommen, beachten aber nicht, dass sie unter starkem Stress stehen oder unerledigte Konflikte vorliegen.

Ich möchte Ihnen nahelegen, zusätzlich die „neuen“ Risikofaktoren überprüfen zu lassen, die inzwischen wissenschaftlich belegt sind, aber noch keinen Eingang in die therapeutischen Empfehlungen der Kardiologen gefunden haben. Dabei handelt es sich um

• Homocystein, das bei erhöhten Werten die Blutgefäße schädigen kann,
• Lipoprotein a, das noch gefährlicher als LDL ist und zu Blutgerinnseln führen kann,
• das hochsensitive C-reaktive-Protein (CRP), ein Eiweiß, das in der Leber gebildet wird und ein Entzündungsparameter ist,
• Fibrinogen, ein Blutgerinnungsfaktor, der bei erhöhten Werten ein Thromboserisiko darstellt,
• die Lipidperoxidation, bei der freie Radikale Elektronen von Lipiden in der Zellmembran „stehlen“ und so eine Kettenreaktion auslösen, die zur Zellschädigung führt.

All das kann in Speziallaboren gemessen und von darin erfahrenen Ärzten interpretiert werden. Wenn eine „unerklärliche KHK“ – wie in Ihrem Fall – vorliegt, dann müssen meines Erachtens diese Risikofaktoren bestimmt werden.

Schulmedizinisch wird bei der koronaren Herzkrankheit ASS (Acetylsalicylsäure, beispielsweise Aspirin®) eingesetzt. Es verhindert eine Arteriosklerose nicht und verzögert auch nicht deren Fortschreiten, sondern hemmt lediglich das Zusammenklumpen von Blutplättchen. Damit erniedrigt sich die Wahrscheinlichkeit, dass bereits verengte Gefäße durch ein Gerinnsel verstopfen (= Herzinfarkt). Das Risiko, an den Folgen einer KHK zu sterben, wird dadurch um einige Prozent gesenkt. Wenn nichts dagegen spricht (wie etwa ein früheres Magengeschwür), empfehle auch ich Patienten mit koronarer Herzkrankheit unbedingt ASS einzunehmen.

Aber auch in Lebensmitteln gibt es eine ganze Reihe heilkräftiger Inhaltsstoffe für
die Gefäße wie beispielsweise die Omega-3-Fettsäuren aus fetten Fischen, Lein- und Rapsöl; Ballaststoffe aus Vollkornprodukten, Obst und Gemüse oder auch die von Ihnen erwähnten Anthocyane. Diese wirken antioxidativ, verhindern also, dass Fette ranzig werden und sich dann leichter an die Gefäßwände anlagern. Reich an Anthocyanen sind alle rotschwarzen Früchte, wie Heidelbeeren, Preiselbeeren, rote Trauben. In letzter Zeit werden immer wieder „Wunderprodukte“ mit großen Mengen an Anthocyanen angepriesen. In der Regel enthält eine Kapsel aber immer noch weniger Anthocyane als etwa 100 Gramm rote Weintrauben oder Heidelbeeren.

Grundsätzlich möchte ich Ihnen bei vollmundig angepriesenen „Wundermitteln“ empfehlen, auf die Kombination folgender Merkmale im Anzeigentext zu achten:

• hergestellt aus einem sehr seltenen oder exotischen Ausgangsstoff
• abgesegnet von einem amerikanischen oder russischen Professor oder einer amerikanischen Institution
• erreicht eine unglaubliche Wirkung, wie sie bisher weder durch konventionelle noch durch naturheilkundliche Mittel erreicht werden konnte (sichere Wirkung bei Krebs, AIDS oder Arteriosklerose)
• wirksam bei Erkrankungen, die bisher kaum beeinflussbar sind (beispielsweise Tinnitus, Fibromyalgie, Burnout-Syndrom)
• verheißt Erfolgsraten von 90 bis 100 Prozent
• reißerische Anbietung des Produktes („schmilzt Fett weg“, „putzt die Gefäße frei“)

In diesem Fall können Sie ziemlich sicher sein, dass es sich um eine unseriöse Werbung handelt und der vertrauensselige Konsument so richtig über den Tisch gezogen wird.

Nichts gegen Anthocyane. Versorgen Sie sich reichlich damit, aber bitte mit ganz normalen Lebensmitteln, am besten aus biologischem Anbau. Essen Sie öfter mal eine Portion rote Trauben, (oder trinken Sie ab und zu ein Gläschen tanninhaltigen Rotwein), einen Vollkornpfannkuchen mit Heidelbeeren oder einen Nachtisch mit schwarzen Johannisbeeren. Mehrere Portionen davon in der Woche – und Sie brauchen kein Geld für fragwürdige „Wundermittel“ auszugeben.

Sämtliche Gemüse- und Obstsorten sind reich an sekundären Pflanzenstoffen, von denen viele gefäßschützend wirken. Tomaten oder Wassermelonen z. B. enthalten antioxidativ wirkendes Lycopin. Auch Knoblauch schützt die Gefäße. Allerdings sollte die Dosis bei mindestens vier Gramm (2 große Zehen) liegen, damit sie wirkt – roh selbstverständlich; beim Kochen geht das wertvolle Allicin verloren. Die meisten Knoblauchpillen enthalten leider das nicht wirksame Knoblauchöl. Es muss aber Knoblauchpulver oder -extrakt sein. Die Tagesdosis sollte dabei mindestens 1200 mg betragen. Diese Konzentration wird nur von sehr wenigen Präparaten erreicht – von Kombinationspräparaten so gut wie nie.

Zu guter Letzt noch ein Wort zum Kalzium: Die Gefäßverengungen enthalten zwar Kalk. Dieser lagert sich am Ende des arteriosklerotischen Prozesses ein. Kalzium ist aber weder die Ursache der Arteriosklerose noch beschleunigt es sie. In Gegenden mit hartem, also kalziumreichem Wasser gibt es tendenziell sogar weniger Herzinfarkte als in Gegenden mit weichem Wasser.

Also lassen Sie sich bitte nicht von fragwürdigen Empfehlungen mit zweifelhaften ideologischen oder kommerziellen Motiven irre machen, sondern vertrauen Sie den Heil- und Lebensmitteln, die sich seit langem bewähren und deren Wirkungen mit soliden wissenschaftlichen Beweisen belegt sind. Vertrauen Sie auch den Selbstheilungskräften der Natur und Ihres Körpers. L

Den Artikel zu dieser redaktionellen Einleitung finden Sie in der Naturarzt-Druckausgabe 4/2008