Naturheilkundlicher Rat

Was tun bei Veranlagung zur Venenschwäche?

Antwort von: PD Dr. med. Rainer Brenke

Meine gesamte Familie hat schwache Venen und musste sich z. T. Krampfadern ziehen lassen. Ich hatte die Hoffnung, dass es bei mir (56, männl.) nicht so schlimm kommt, da ich gesünder esse, mich mehr bewege, morgens gezielt Fußgymnastik mache und tagsüber – wann immer möglich – die Füße hochlege. Doch seit etwa gut zwei Jahren zeigen sich vom Fuß aufsteigend vermehrt Krampfadern, wo früher nur Besenreiser zu sehen waren. Was kann ich noch tun?

Venenleiden sind häufig mit einer anlagebedingten, allgemeinen Bindegewebsschwäche kombiniert und kommen daher wie bei Ihnen familiär gehäuft vor. Entscheidend ist also die Veranlagung. Früher oft angeschuldigte Ursachen wie Sonne, Wärme oder Sitzen mit übereinander geschlagenen Beinen, scheinen eine eher untergeordnete Rolle zu spielen. Der Schweregrad reicht von den wenig komplikationsträchtigen, eher kosmetisch störenden Besenreisern über deutlich sichtbare Krampfadern bis hin zum offenen Bein. Das Wort „Krampfadern“ lässt sich aus dem Althochdeutschen „krimpfan“ = „krümmen“ ableiten. Krampfadern verursachen Schwellungen und „schwere Beine“.

Für die schwereren Venenleiden sind oft nicht mehr funktionierende Venenklappen in den Verbindungsvenen zwischen oberflächlichen und tiefen Venen verantwortlich. Normalerweise sorgen die Klappen dafür, dass das Blut – aktiviert durch die Muskelpumpe beim Gehen – nur von den oberflächlichen in die tiefen Venen fließen kann. Funktionieren die Venenklappen nicht mehr, drückt man mit jedem Schritt Blut aus den tiefen Venen in die oberflächlichen – es entstehen die typischen Krampfaderknoten. Auch in den großen, längs verlaufenden Venen der Beine gibt es Venenklappen, die einen Rückfluss des Blutes verhindern, solange sie intakt sind.

Wenn die Venenwände geschädigt sind und das Blut durch Aussackungen im Sinne von Krampfadern langsamer fließt, kann sich auch eine Thrombose, das heißt, ein Blutgerinnsel entwickeln.

Die Frage ist naheliegend, ob und wie man bei den ersten Anzeichen eines Venenleidens das Fortschreiten verhindern bzw. zumindest eindämmen kann. Im Frühstadium können einfache Maßnahmen und naturheilkundliche Anwendungen helfen.
Sinnvoll ist ein Ernährungsprogramm, das Übergewicht vermeidet oder reduziert. Das ist besonders wichtig, wenn der Bauch betroffen ist, da hoher Druck im Bauchraum den Rückfluss des Blutes zum Herzen behindert, der Druck in den Venen ansteigt und dadurch die Bildung von Krampfadern begünstigt.

Im Tagesablauf sollte man die alte Regel beherzigen: „Liegen und Gehen sind besser als Sitzen und Stehen“. Liegen oder Hochlagern der Beine vermindert den Druck in den Venen. Durch das Gehen wird die Muskelpumpe angeregt. Überhaupt ist Bewegung eine sinnvolle Maßnahme zur Vorbeugung und Behandlung von Venenleiden. Bestehen aber wie bei Ihnen bereits deutlich sichtbare Krampfadern, so muss der Rat zur Bewegung präzisiert werden. Bei nicht funktionstüchtigen Klappen in den Verbindungsvenen vom oberflächlichen zum tiefen Venensystem presst man – wie gesagt – mit jedem Schritt Blut aus den tiefen Venen in die oberflächlichen und kann damit im ungünstigsten Fall das Venenleiden weiter verschlechtern. Der richtige Rat muss daher heißen: Reichlich bewegen, aber mit Kompressionsstrümpfen! Diese engen bei der Aktivierung der sogenannten „Muskelpumpe“ besonders im Wadenbereich die oberflächlichen Venen ein und verhindern einen Druckanstieg in den Venen beim Gehen oder auch bei einer „Fußgymnastik“.

Kompressionsstrümpfe gibt es in unterschiedlichen Stärken und Ausführungen. Außer beim Arzt kann man im Sanitätshaus zu diesem Thema gut beraten werden. Im Allgemeinen reichen „rund gestrickte“ Kompressionsstrümpfe der Kompressionsklasse 2 aus. Wird eine Schwellung über Nacht nicht mehr besser, so ist von einer Beteiligung der Lymphgefäße auszugehen. Dann sind neben einer Kompressionstherapie (zeitweise auch mittels Bandagen) weitere Maßnahmen wie die Lymphdrainage angezeigt.

Häufig unterschätzt wird die positive Wirkung des kalten Wassers. Kaltreize sind in ihrer Wirkung sehr gut untersucht. Sie stärken die Venenwände, indem sie die Spannkraft erhöhen. Praktisch können kalte Auflagen, besser kalte Güsse mit einem dicken Wasserstahl oder Wassertreten zum Einsatz kommen. Wählt man kalte Auflagen oder Wickel, so kann man die Wirkung weiter verstärken, etwa durch Zusätze wie Retterspitz® äußerlich. Bei entzündeten Venen hat sich auch eine Auflage mit kaltem Quark bewährt, wobei der Quark auf einer Mullkompresse ausgestrichen wird.

Andere, hilfreiche äußerliche Anwendungen sind etwa Zusätze mit Heparin, einem Stoff, der die Blutgerinnung hemmt und daher sinnvoll zur Vorbeugung einer Thrombose wäre. Es ist aber ungeklärt, inwieweit derartige Inhaltsstoffe in ausreichendem Maß über die Haut eindringen können. Auf jeden Fall wirken solche Präparate pflegend auf die Haut und gegebenenfalls auch kühlend.

Viele Patienten schwören auf pflanzliche Mittel. Besonders gut untersucht sind Rosskastanienpräparate. Medizinisch wirksam sind alkoholische Trockenextrakte aus den Samen der Rosskastanie. Sie sollen die Venen abdichten, wodurch die Schwellungsneigung abnimmt, auch ein eventuell vorhandener Juckreiz. Außerdem lindern sie Entzündungen. Rosskastanienpräparate sind auf den wirkungsvollen Inhaltsstoff, das Aescin, standardisiert. Anfänglich sollte die tägliche Dosis bei mindestens 100 mg Aescin liegen, später kann sie auf 60 bis 40 mg gesenkt werden. Nebenwirkungen sind selten, gelegentlich treten leichte Übelkeit oder Völlegefühl auf. Über geeignete Präparate kann man sich in der Apotheke beraten lassen.

Außer der Rosskastanie wird auch dem Trockenextrakt aus rotem Weinlaub eine positive Wirkung nachgesagt. Auch hier gibt es entsprechende Mittel. Auf jeden Fall sollte man bei allen Präparaten die Hinweise in der Packungsbeilage beachten – wie die empfohlene Dosis oder auch die Dauer der Einnahme.

Eine traditionelle naturheilkundliche Behandlung einer akuten oberflächlichen Venenentzündung – der so genannten Thrombophlebitis – stellen Blutegel dar. Sie sondern beim Biss einen gerinnungshemmenden Stoff ab und bringen die Entzündung schneller zum Abklingen. Durch die Entwicklung moderner Medikamente wird die zeitaufwendigere Blutegeltherapie zumindest bei Krampfadern seltener angewandt. Bei Krampfaderbeschwerden im Frühstadium sind sie nicht geeignet.

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, um auf einfache Weise der Verschlechterung eines Venenleidens entgegen zu wirken. Welche Anwendung man wählt, hängt vom Befund und auch von den Möglichkeiten zu Hause ab.

Den Artikel zu dieser redaktionellen Einleitung finden Sie in der Naturarzt-Druckausgabe 5/2016