Freundschaften als soziales Netzwerk

Freundschaften als soziales Netzwerk

Dipl. oec. troph. Johanna Zielinski

Freunde zu haben, ist nicht nur unterhaltsam, sondern sorgt für Wohlbefinden und stärkt die Gesundheit. Gerade in der heutigen Zeit, in der Partner und Jobs womöglich häufig wechseln, und eine eigene Familie keine Selbstverständlichkeit mehr ist, bieten beständige und zuverlässige Freundschaften Halt und Unterstützung – oft mehr als die Herkunftsfamilie.

Wen der Himmel liebt, dem schickt er einen Freund.
Aus China

Freundschaft begegnet uns in den mannigfaltigsten und kuriosesten Formen: sie erstreckt sich über Kontinente, entsteht aus den unglaublichsten Zufällen, es finden sich unterschiedliche Generationen zusammen, manche wird von Kindesbeinen an geknüpft und ersetzt sogar die traditionelle Familie.

In schwierigen Situationen sind Freunde wichtige Verbündete, sie geben uns Kraft und bewahren uns vor Stress. Wissenschaftler vermuten dahinter das Hormon Oxytocin, das Angst herabsetzt und Vertrauen schafft. Hat man Freunde um sich, wird das Hormon vermehrt ausgeschüttet. Hürden erscheinen uns dann weniger hoch, und je länger die Freundschaft besteht, umso deutlicher zeigt sich der Effekt. Begleitet uns ein Freund zu einer unangenehmen Situation, wird nachweislich weniger von dem Stresshormon Cortisol ausgeschüttet. Bereits einige Minuten an der Seite des Gefährten genügen, um uns noch Stunden danach vor Stress zu schützen.

Außerdem steigt das Selbstbewusstsein, wenn wir uns mit Freunden treffen. In Ländern, in denen die Menschen viel Zeit mit Freunden verbringen (z. B. USA oder Griechenland), ist das Selbstwertgefühl der Einwohner höher als in Ländern, in denen sie das nicht tun (z. B. Ungarn oder Japan). Viele Menschen, die einen Psychotherapeuten aufsuchen, bräuchten wahrscheinlich keine Therapie, wenn sie sozial besser eingebunden wären. Vor allem Männern fehlen oft vertraute Gesprächspartner, was sie abhängig von ihren Frauen macht. Aktuelle Studien zeigen, dass sozial gut verknüpfte Menschen im Allgemeinen glücklicher, körperlich widerstandsfähiger und langlebiger sind. Fehlt diese soziale Stütze, kann dies ins Gegenteil umschlagen: Isolierte Menschen sind eher krank und sterben laut Gesundheitsforschern früher.

Positive Beziehungen stärken unser Immunsystem, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Infarkt) sinkt, genauso wie für depressive Verstimmungen. Und das in allen Lebens- und Altersphasen. Wie ein weiches Polster schützen und heilen uns Freundschaften, Stress und Belastungen fallen ab. Man vermutet, dass wir zudem mehr auf unsere Gesundheit achten, wenn wir enge Bindungen eingehen.

Freunde wählen wir im Gegensatz zu unserer Familie aus. In Single-Kreisen leisten sie die meiste emotionale und praktische Hilfe. Manche Wissenschaftler sehen hierbei sogar eine Möglichkeit zur Rettung unserer alternden Gesellschaft: Freundschaftliche Netzwerke sind ein weiterer Weg für das Leben im Alter, neben Familie und den sozialstaatlichen Einrichtungen. Freundschaftsprogramme in den Niederlanden helfen z. B. älteren Frauen über ihre Einsamkeit hinweg, indem sie unter Zeitvorgaben neue Bekanntschaften finden müssen – mit durchschlagendem positivem Effekt auf gesundheitlicher und psychischer Ebene. Freundschaften können auch bei schwierigen Familienverhältnissen Halt geben und seelische Abwehrkräfte aktivieren – im gleichen Maße wie intakte Familienbande.

„Wirklich gute Freunde sind Menschen, die uns ganz genau kennen, und trotzdem zu uns halten“, heißt es bei der österreichischen Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach. Freunde geben uns Liebe, Nähe, Verständnis und Toleranz, sind unser Anker im rauen Ozean. Durch sie bewältigen wir unseren Alltag leichter und gelangen in positive Stimmung, schöpfen Vertrauen, ernten ehrliches Feedback und bekommen Unterstützung in allen Lebenslagen.

In einer groß angelegten Studie fand man heraus, dass ein gut angelegtes „soziales Netzwerk“ bei der Rehabilitation Wunder wirkt: Häufige Treffen und Telefonate mit nahestehenden, vertrauten Menschen, verkürzten nachweislich die Zeit der Heilung. Die Patienten erhielten unter anderem bei der Ernährung und Bewegung durch die Angehörigen Unterstützung und wurden bei Verpflichtungen entlastet.

Es gibt also genügend Gründe, um sich ein stabiles soziales Netz aufzubauen. Gemeinsame Interessen und gemeinsam verbrachte Zeit sind ein guter Grundstein für Freundschaften. Am Anfang steht jedoch die Freundschaft zu sich selbst, Respekt und Achtung gegenüber dem eigenen Ich sind der erste Schritt, um Freunde zu finden.

Freundschaft ist wie eine Spur, die im Sand verschwindet, wenn man sie nicht beständig erneuert, sagt ein afrikanisches Sprichwort, denn Freundschaften brauchen Pflege, sonst verkümmern sie. Allen Unkenrufen zum Trotz hilft dabei auch das Internet, das es ermöglicht Beziehungen unkompliziert auch über weite Entfernungen aufrechtzuerhalten.