Herzlichkeit als Lebenskunst
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Bewusstsein

Herzlichkeit als Lebenskunst

Dr. med. Wolf-Jürgen Maurer

Diese Welt braucht vor allem eines: Herzlichkeit. Herzlichkeit ist Freundlichkeit, die von Herzen kommt. Herzlichkeit ist eine Großzügigkeit des Herzens. Sie wird lebendig, wenn wir uns anderen Menschen zuwenden, ihnen helfen und Zeit für sie haben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.

Menschen wollen dazugehören. Die Hirnforschung zeigt uns, dieser Wunsch gehört zu den menschlichen Grundbedürfnissen. Die Neurowissenschaftlerin Naomi Eisenberger und ihre Kollegen fanden in Experimenten heraus: Das Bedürfnis dazuzugehören ist derart stark, dass ein Ausgeschlossenwerden – und sei es durch Fremde – mit starken körperlichen Schmerzen vergleichbar ist.

Menschen haben ein tiefes Verlangen, gehört und gesehen zu werden. Das Traurige ist: Machtpositionen verringern die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. Dabei ist es gerade im Sinne einer guten Führung enorm wichtig, andere Sichtweisen nachvollziehen zu können. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Wir alle sehnen uns ein Leben lang letztlich nach dem immer selben: geliebt und verstanden werden, so wie wir sind.

Warmherzigkeit ist der beste, vielleicht einzige Weg, Menschen zu erreichen. Sie ist – wie ihre Gegenspielerin, die Kaltherzigkeit – intensiv spürbar: Wem Warmherzigkeit entgegengebracht wird, der fühlt sich angenommen. Ihr oder ihm wird sprichwörtlich warm ums Herz. Warmherzigkeit bedeutet Mitgefühl, Liebe, Einfühlungsvermögen, eine grundlegende wohlwollende Einstellung zu anderen Menschen.

Man kann Warmherzigkeit kultivieren, indem man daran arbeitet, andere zu verstehen und zu mögen. Wir können uns sogar darin üben, anderen gegenüber grundsätzlich als erstes ein Gefühl des Wohlwollens entstehen zu lassen und immer wieder eine Verbindung von Herz zu Herz herzustellen.

Indem wir einem anderen Menschen mit Herzlichkeit begegnen, geben wir das Beste von uns. Der angenehme Nebeneffekt: Wir selbst fühlen uns besser, wenn wir den Tag unserer Mitmenschen erhellen. Achten wir darauf, welche Auswirkungen unser Verhalten auf andere hat, und beobachten unsere eigenen Gefühle im Zusammenhang mit den Reaktionen des Gegenübers. Machen wir uns Gedanken darüber, wie wir uns fühlen, wenn ein Mensch uns mit Herzlichkeit begegnet. Was wir geben, erhalten wir in noch größerem Maße zurück. Strahlen wir Herzlichkeit aus, erwartet uns nicht nur die unmittelbare Belohnung in Form eines Wohlfühl-Faktors, das Umfeld spiegelt uns unser Wohlwollen 1 : 1 zurück.

Es ist so einfach, Möglichkeiten zu finden, um anderen mit Herzlichkeit zu begegnen: Das können ein paar unterstützende Worte sein, wenn man instinktiv fühlt, dass sie jemand gerade braucht und sie ihm guttun; Hilfe anbieten, ohne darum gebeten zu werden; ein ermutigendes Lächeln; sich mit Kritik zurückhalten; zuhören, ohne zu verurteilen; Fehler verzeihen, anstatt zu beschuldigen. Bringen wir kleine Opfer zugunsten derer, die es brauchen. Mit diesen drei Ansätzen integrieren wir das warme, freundliche Gefühl spielend leicht:

  • Nimm Dir vor, eine Woche lang diese Eigenschaft der Warmherzigkeit zu kultivieren. Es ist möglich, innerhalb einer Woche oder eines Monats eine Tugend, eine Eigenschaft, stark werden zu lassen.
  • Triff den Entschluss: „Während der nächsten Woche will ich die Tugend, Warmherzigkeit pflegen und wachsen lassen. Ich freue mich darauf, in einer Woche ein warmherzigerer Mensch zu sein.“
  • Vollziehe jeden Tag mindestens eine Handlung, die Warmherzigkeit ausdrückt. Mache jeden Tag etwas, was Du sonst vielleicht nicht tun würdest, was aber diese Tugend zum Ausdruck bringt.

Autor
Dr.med. Wolf-Jürgen Maurer,
Beziehungsmediziner und Psychotherapeut, Facharzt für psychosomatische Medizin, Facharzt für Allgemeinmedizin/Naturheilverfahren, Systemischer Paar- und Familientherapeut, Lehrtherapeut, Supervisor, Coach. Psychosomatische Hörbuchreihe Dr. Maurer unter anima-mea.org