Bei Schlaflosigkeit nach Ursachen fahnden

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Psychophysiologische Insomnie“ lautete die Diagnose bei einer Patientin, die langjährig unter Schlafstörungen litt. Fachleute übersetzen die mittlerweile häufiger gestellte Diagnose mit „erlernte Schlaflosigkeit“. Erstaunlich sind die unterschiedlichen Therapieansätze bei Schlafstörungen. Während vor allem psychologische Ansätze das konsequente Weglassen von Schlafmitteln aller Art empfehlen, dazu Verfahren wie Schlafentzug, dominiert in der klinischen Medizin nach wie vor die Gabe von Schlafmitteln und Antidepressiva.

Bis in die 1990er Jahre hinein wurden häufig Medikamente aus der Valiumgruppe (Benzodiazepine) verabreicht. Sie führen vor allem beim älteren Menschen zu erheblichen Risiken: Sturzgefahr, Desorientierung, „Hangover“, was bedeutet, dass die Wirkung des Schlafmittels auch noch am folgenden Vormittag anhält. Hinzu kommt erhebliche Abhängigkeitsgefährdung. Verdrängt wurden diese „Benzos“ teilweise von „Z-Substanzen“ wie Zopiclon und Zolpidem. Sie wirken insgesamt etwas kürzer, sollen ein geringeres Abhängigkeitspotenzial haben. Verstärkt hat man in den letzten Jahren auch Antidepressiva, wie Trimipramin oder Mirtazapin, eingesetzt.

Es wird jedoch viel zu wenig nach Ursachen von Schlafstörungen gefahndet. Sie liegen oft in der Biographie der Menschen begründet: traumatische Erlebnisse und/oder besondere Belastungen, die dazu geführt haben, dass irgendwann ein natürlicher Schlafrhythmus verlorenging.

Sicher können Naturheilmittel Unterstützung bieten, zu einem gesünderen Rhythmus zurückzufinden. Ich denke zuerst an Kneippsche Verfahren, etwa das kalte Abwaschen mit anschließendem Einhüllen in ein großes Frotteehandtuch. Menschen mit kalten Füßen sollten dagegen vor dem Schlafengehen ein temperaturansteigendes warmes Fußbad durchführen, denn mit kalten Füßen kann man nicht schlafen. Im einen oder anderen Fall ist ein spät abendlicher Unterzucker schuld am Nicht-Einschlafen-Können. Dann hilft das berühmte „Betthupferl“, also eine kleine Spätmahlzeit: Manchmal reichen ein Knäckebrot mit Butter oder ein Naturjoghurt.

Wer nicht durchschlafen kann, sollte an die Leber denken. Die Leber entgiftet vor allem nachts. Ist dieser Vorgang überlastet, wird der Körper mit Stoffwechselendprodukten überschüttet – und das Gehirn kann nicht mehr schlafen. Überlastung der Leber kann auch durch negative Emotionen erfolgen: Ärger, Sorge, Neid. Das Weglassen üppiger Abendmahlzeiten, ein Abendspaziergang, der Verzicht auf Fernsehen und der abendliche Leberwickel können helfen, dieses Problem zu lindern oder gar zu beseitigen. Zusätzlich ergänzen kann man dies durch energetisch ausgleichende Verfahren aus dem Bereich der traditionellen chinesischen Medizin oder der Ohrakupunktur nach Bahr/Nogier.

Erst nach solchen Maßnahmen würde ich an die Gabe von Medikamenten denken. Zahlreiche Heilpflanzen stehen uns zur Verfügung, etwa Baldrian, Hopfen und in letzten Jahren zunehmend die Passionsblume, die sich vor allem bei Unruhezuständen bewährt.

Eine Illusion sollte man sich allerdings nicht machen: Jahrelangen Gebrauch von stark wirksamen Schlafmitteln kann man nicht von heute auf morgen durch pflanzliche Präparate ersetzen. Erst ein kontinuierliches Ausschleichen und ein Hinterfragen der Ursachen sowie eine damit verbundene Änderung der Lebensführung werden weiterhelfen.

Mit besten Grüßen

Ihr Dr. med. Rainer Matejka