Von der Vollwert- zur nachhaltigen Ernährung

Von der Vollwert- zur nachhaltigen Ernährung

Liebe Leserin, lieber Leser,
der Begriff „Vollwert-Ernährung“ galt in der Naturheilkunde lange Zeit als Quintessenz einer gesunden Ernährung. Vor allem auf Industriezucker und Weißmehl als „leere Kalorien“ sollte dabei verzichtet werden – stattdessen die Bestandteile des vollen Kornes mit seinen verschiedenen Vitalstoffen im Mittelpunkt stehen. Nun hat sich nach meinem Eindruck in den letzten Jahren ein Wandel vollzogen: Mehr und mehr rückt Gemüse mit seinen gesundheitlichen Vorteilen in den Mittelpunkt. Auch Fette wurden zunehmend in ihren für die Gesundheit positiven Varianten erkannt und empfohlen (ein- und mehrfach ungesättigte pflanzliche Öle, Omega-3-Fette).

Der bekannte Ernährungswissenschaftler Karl von Körber plädierte in einem Vortrag im vergangenen November in München dafür, statt von Vollwerternährung zukünftig besser vom Ziel einer nachhaltigen Ernährung zu sprechen. Demnach müsse Ernährung viel breiter als nur anhand der Nahrungsmittelinhaltsstoffe betrachtet werden. Die von der UN so bezeichnete „planetare Belastung“ stehe im Zusammenhang mit dem Stickstoffkreislauf, Verlust der Artenvielfalt, zunehmender Wasserknappheit in vielen Regionen, Bodenzerstörung und Treibhausgasemissionen (THG). Ernährung trage zu diesen Problemen etwa zu einem Fünftel bei. Erhebliche Anteile des Energieverbrauchs im Zusammenhang mit der Ernährung machen das Erhitzen und Kühlen von Nahrungsmitteln und die Düngemittelproduktion aus. Im Rahmen der Nahrungsmittelerzeugung entfallen gut ein Drittel der THG-Emissionen auf die Fleischproduktion, rund 68 Prozent auf die Herstellung tierischer Lebensmittel insgesamt, obwohl diese nur ein Drittel der Nahrungsenergie liefern.

Ziele einer nachhaltigen Ernährung sollten demnach sein: Drittelung des bisherigen Fleischkonsums, Bevorzugung möglichst gering verarbeiteter und, soweit möglich, regional und saisonal verfügbarer Lebensmittel. Bemerkenswert: Die Produktion von THG durch Milchproduktion werde überschätzt, vorausgesetzt, die Tierhaltung erfolgt (extensiv) auf Weideland. Denn Grasland bietet im Unterschied zu Ackerland einen erheblichen Vorteil: Gras bindet CO2 im Boden. Mehr Weideland und weniger Ackerland sollte daher ein Ziel sein. Das bedeutet auch: Streng vegane Kost wäre aus dieser Sicht gar nicht so erstrebenswert, sondern ist vielmehr ein tier­ethisches Thema, zumal Studien keinen substanziellen gesundheitlichen Vorteil gegenüber einer vegetarischen Kost zeigen.

Mittels Ökolandbau könnten Trockenperioden besser überwunden werden und es erfolgte mehr Humusaufbau durch natürlichen Dung. Dadurch würde sich wiederum der Bedarf an mit hohem Energieaufwand herzustellenden Düngemitteln reduzieren. Meines Erachtens interessante Thesen, die man zukünftig stärker beherzigen sollte.

Dr. med. Rainer Matejka