„Nicht ganz sicher auszuschließen …“

„Nicht ganz sicher auszuschließen …“

Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist nur ein subjektiver Eindruck oder – besser gesagt – ein Verdacht: Unnötige Leistungsausweitungen im deutschen Gesundheitswesen umfassen inzwischen immer weitere Bereiche. Die oft zitierten im internationalen Vergleich extrem hohen Zahlen an Rücken- und Gelenkoperationen sind seit Jahren bekannt. Mir fällt jedoch auf, dass es auch bei vergleichsweise einfachen Fragestellungen heute nicht mehr ohne ausufernde Dia­gnostik geht: Arthrose im Kniegelenk? Vor Jahren reichten noch Röntgen in zwei Ebenen und eine „Patellazielaufnahme“ (Patella = Kniescheibe), um die Dia­gnose zu bestätigen. Heute ist fast immer ein teures MRT mit im Spiel.

Oder: Eine Frau knickt mit dem Fuß um, es besteht der Verdacht auf eine Außenbanddehnung. Da eine Unfallversicherung involviert ist, gilt die Devise, „großzügig röntgen“, damit eine mögliche, wenn auch unwahrscheinliche knöcherne Verletzung am Sprunggelenk belegt werden könnte. Das Röntgenbild zeigt keinerlei Auffälligkeiten. Doch die Patientin wird für den folgenden Tag erneut einbestellt, um mit einem CT eine Fraktur noch sicherer ausschließen zu können! Das heutige Röntgen in Digitalqualität erlaubt ungleich präzisere Aussagen als das Röntgen in den 1990er-Jahren. Warum dann ein CT, das mit erheblicher Strahlenbelastung einhergeht? Die Patientin sagt den CT-Termin ab, erhält ein Tape. Nach wenigen Tagen nimmt sie mit anliegendem Tape wieder an einem Langstreckenlauf teil, ohne jegliches Problem.

Ein anderes Beispiel: Wer über monatelange, unklare Bauchschmerzen klagt, sollte in der Tat Spiegelung von Magen und Darm erhalten. Wer erst seit einigen Tagen Probleme hat, kann auch mal anhand der klinischen Einschätzung behandelt werden. Die Diagnostik kann bei fehlender Besserung dann immer noch ausgedehnt werden. Die Sorge, womöglich gravierende Befunde zu übersehen, sollte also nicht immer sofort zu Maximaldiagnostik führen.

Seitdem es das Fach „Gesundheitsökonomie“ gibt, scheinen immer mehr Abläufe dahingehend optimiert zu werden, wie abrechenbare Leistungen maximal ausgereizt werden können. Eigentlich würde man eher einen sparsameren Umgang mit den Ressourcen erwarten.

Möglicherweise führt eine bevorstehende Wirtschaftskrise zum Umdenken. Wir alle würden dann vermutlich merken, dass der Klinikbetreiber Werner Wicker mit seiner Vermutung recht hatte: Notfalls ginge es im Gesundheitswesen auch mit viel weniger – ohne nachhaltige Qualitätseinbußen.

Mit besten Grüßen

Dr. med. Rainer Matejka