Das emotionale Konto auffüllen

Das emotionale Konto auffüllen

Liebe Leserin, lieber Leser,
Bevölkerungsumfragen in Deutschland bezüglich der häufigsten Krankheiten und Beschwerdebilder zeigen Rückenschmerzen ganz vorne. In einer Fachzeitung wurde vor geraumer Zeit daher von der „Rückenrepublik Deutschland“ gesprochen. Im Ranking der Beschwerden folgen Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Erschöpfung.

Gegen Rückenschmerzen werden heute individualisierte Bewegungstherapie und Verhaltenstherapie empfohlen – mit weit besseren Erfolgen als mit den früher so verbreiteten eher passiven Maßnahmen wie Fango/Massage. Hinter Schlafstörungen kann häufig eine bislang nicht erkannte Depression stecken oder eine Schlaf-Apnoe. Oft spielt auch Medikamentenabhängigkeit eine Rolle. Als Gegenmaßnahmen werden u. a. eine Rhythmisierung des Tagesablaufs empfohlen, Entspannungsverfahren, ferner die Vermeidung Sympathikus-aktivierender Tätigkeiten am Abend. Vor allem für betagte Menschen, die tagsüber müde sind, gilt die Empfehlung, nicht zu früh zu Bett zu gehen.

Was allen diesen Beschwerdebildern zugrunde liegt, ist Stress. Entweder der allseits beschriebene negative Stress durch wenig sinnstiftende Tätigkeiten oder ein dauerhaft belastendes privates oder berufliches Umfeld. Auch positiver Stress macht auf die Dauer krank, wenn er nicht durch Phasen der Ruhe und Entspannung unterbrochen wird. Die notorische Empfehlung, man müsse „loslassen“, sagt sich so leicht. Wo befindet sich denn der entsprechende Schalter? Sport/Bewegung wirkt sicher in den meisten Fällen stressabbauend. Sich jeden Tag 20 Minuten nur für sich selbst zu reservieren, um mit seinen Gedanken alleine zu sein, gefällt mir auch gut. Dr. Wolf-Jürgen Maurer sprach einmal vom „emotionalen Konto“, das möglichst im Haben sein sollte. Ein „Soll“ sei kurzzeitig nicht schlimm, sollte aber ausgeglichen werden. Dauerhaft im Soll zu sein, mache krank. Ich denke dabei u. a. an Lehrer, die neben dem Unterricht die Folgen weitreichender gesellschaftlicher Verwerfungen ausbaden müssen und zunehmend sogar Opfer körperlicher Gewalt durch Schüler und Eltern (!) werden. Ich denke aber auch an einen kürzlich in einem dritten Programm gezeigten Bericht über den Nationalpark Bayerischer Wald/Böhmerwald. Ein begeisterter „Waldler“ berichtete dort, dass er sich fast jeden Tag mehrere Stunden im Wald aufhalte und oft in seiner Hütte übernachte. Seine Erkenntnis: „Der Wald ist besser als jede Rehaklinik.“ Das nenne ich mal eine klare Ansage …

In diesem Sinne nochmals Ihnen allen ein gutes und hoffentlich positiv inspirierendes Jahr 2023!

Dr. med. Rainer Matejka