Ein Flohmarkt für Medikamente?

Ein Flohmarkt für Medikamente?

Liebe Leserin, lieber Leser,
man ist ja einige Schnapsideen aus der deutschen Gesundheitspolitik gewohnt, aber dass Patienten wegen häufig nicht verfügbarer Medikamente ihre nicht verbrauchten Medikamentenreste zur Weitergabe an andere zurückgeben sollen, klingt schon ziemlich eigenartig. Nicht nur Patienten, sondern auch wir Ärzte beobachten seit Jahren, dass gängige Medikamente „derzeit nicht lieferbar“ sind. Häufig sind Allerwelts-Blutdruckmittel in der Apotheke zwar vorrätig, aber nicht von dem Hersteller, mit dem die gesetzliche Krankenkasse des Patienten einen Kontingentvertrag abgeschlossen hat. Um welche Summen es dabei genau geht, bleibt vollkommen intransparent. Eine Schande für Körperschaften des öffentlichen Rechts wie die gesetzlichen Krankenkassen. Hier müsste Transparenz erzwungen werden.

Die Medikamentenherstel-lung ist heute überwiegend nach Indien und China ausgelagert. Auch dies geschieht ohne jegliche Transparenz seitens der Pharmaindustrie.

Bessere Verfügbarkeit von Medikamenten wäre auch noch anders zu erreichen – durch Erhöhung der Produktion in der EU und natürlich durch sparsamere Handhabung. Warum können verbreitet eingesetzte Medikamente zu Beginn der Therapie nicht einzeln ausgegeben werden? Zum Beispiel erst einmal 10 Stück, um zu sehen, ob der Patient sie überhaupt verträgt. Es gibt etliche Länder, in denen lose Pillen abgefüllt und dann in einem Papiertütchen dem Patienten überreicht werden. Das wäre nachhaltiger und ressourcensparender als die Blisterverpackungen mit ihrem Plastik- und Metallverbrauch.

Dringend müssen die Beipackzettel geändert werden: Schluss mit Juristendeutsch und Mikroschrift. Stattdessen sind diese zukünftig in einfacher Sprache abzufassen, damit sie auch jeder versteht.

Und schließlich: die übertriebene Fixierung auf das Verfallsdatum. Viele assoziieren dieses auf den Packungen aufgedruckte Datum mit einem abrupten Wirkverlust oder mit Gefahr. Tatsächlich bedeutet das Verfallsdatum lediglich, dass der Hersteller bis zu diesem Datum die volle Wirkstärke garantiert. Danach könnte sie im Laufe der Zeit nach und nach abfallen. Abgesehen von lebensbedrohlichen Erkrankungen, bei denen man das Verfallsdatum beachten sollte, sehe ich bei vielen Mitteln gegen verschiedene „Zipperlein“ kein Risiko, diese auch danach noch einzunehmen. Dazu eine Anekdote. Im Jahr 2015 besuchte ich privat eine hochbetagte Dame, die urplötzlich in geselliger Runde eine Blutdruckkrise entwickelte. In der Schublade befanden sich diverse Medikamente. Zwei Hub eines Nitrosprays – abgelaufen 1995 – halfen sofort …

Dr. med. Rainer Matejka