Bewegung statt Rabattverträge

Liebe Leserin, lieber Leser,

seit geraumer Zeit gibt es ein neues Schlagwort in unserer Gesundheitslandschaft: „Rabattverträge“. Diese Vereinbarungen von Krankenkassen mit Arzneimittelherstellern ermöglichen die zuzahlungsfreie Abgabe bestimmter Arzneimittel. Auf den ersten Blick bieten diese Verträge Vorteile. Wenn das gleiche Arzneimittel von mehreren Herstellern angeboten wird, warum soll nicht das preiswerteste verordnet werden?

Die Praxis zeigt aber: Auch bei chemisch identischen Inhaltsstoffen kann es bei unterschiedlichen Präparaten durchaus Unterschiede in Art und Schnelligkeit der Wirkstoff-Freisetzung geben. Ebenso im subjektiven Empfinden des Patienten. Das ist, als ob mehrere Stereoanlagen die gleiche Musikleistung hätten. Trotzdem ist das Klangempfinden unterschiedlich. Diese Praxis der Generikaverordnung führt deshalb immer wieder zur Verunsicherung von Patienten, zumal Rabattverträge oft mit bislang weniger bekannten Firmen getätigt werden. Da die Hersteller der Originalpräparate mittlerweile ihre Preise stark gesenkt haben, werden oft nur ein paar Cent eingespart, bei erheblichem bürokratischen Aufwand.

Auf der anderen Seite versucht die Pharmaindustrie seit geraumer Zeit, nicht nur extrem teure Präparate auf den Markt zu bringen, sondern diese auch noch für immer mehr Indikationsgruppen als Standardtherapie zuzulassen. Ein Beispiel: TNF-Alphablocker. Das sind neue Präparate, die stark entzündungshemmend wirken. Waren sie zunächst nur schwersten rheumatischen Erkrankungen als „letzte Hilfe“ vorbehalten, werden sie neuerdings auch bei chronischen Darmentzündungen und weiteren Erkrankungen eingesetzt. Sicher werden immer neue Indikationen folgen. Bei einem Patienten mit schwerer Darmentzündung kann dies beispielsweise bedeuten, dass alle acht Wochen Medikamentenkosten von circa 2.000 Euro anfallen. Damit könnte man dutzende anderer Patienten langfristig behandeln. Was ich damit sagen will: Derart teure Präparate sollten, wenn sie keinen grundsätzlichen Vorteil bieten und so nebenwirkungsreich wie die erwähnten TNF-Alphablocker sind, schwersten, ansonsten nicht therapierbaren Fällen vorbehalten bleiben. Zumal, wenn keine Langzeiterfahrungen vorliegen.

Im Gesundheitswesen ließe sich dagegen durch breite Anwendung arzneifreier Therapien nennenswert Geld sparen. Die Fachzeitschrift MMW (Münchner Medizinische Wochenschrift) berichtete kürzlich über Studienergebnisse, nach denen schon moderate körperliche Bewegung nach kurzer Zeit wesentlich stärker die Herzdurchblutung verbessert als „moderne Koronarklempnerei“. Gemeint ist damit der besonders in Deutschland weit verbreitete Einsatz von Herzkathetern beziehungsweise Aufdehnung der Herzkranzgefäße mit Ballons. Man wundert sich nur, dass solche wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht umgesetzt werden. Fragt man Experten, heißt es, „die Menschen“ würden nicht mitmachen – aus Bequemlichkeit. Sicher denkt immer noch eine große Zahl Betroffener so. Ich wüsste ein Gegenmittel: Bessere Aufklärung und notfalls höhere Kostenbeteiligung bei offensichtlicher Unwilligkeit im Rahmen des Möglichen an der Gesundung mitzuarbeiten. Unsolidarisch? Aus meiner Sicht wäre es der Beginn von Solidarität.

Mit den besten Grüßen