Darf’s ein bisschen weniger sein?

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Arzneimittelstatistik liest sich jedes Jahr wie eine Offenbarung. Erstaunlich, welche Substanzen bei diesen deutschen Medikamentenmeisterschaften das Rennen machen: Ibuprofen – ein Schmerz- und Rheumamittel – ist mit 19,3 Millionen Verordnungen das meistrezeptierte Medikament in Deutschland. Wahrscheinlich liegt die „echte Zahl“ noch deutlich höher, da das Mittel bis zur Stärke 400 mg rezeptfrei erhältlich ist.
Ein Patient berichtete mir über seinen Golfclub: Dort nähmen nahezu alle über 60-Jährigen Ibuprofen, um „die Runde“ zu schaffen. Zwei weitere Schmerzmittel haben es in die Spitzengruppe geschafft: Diclo-fenac (14,3 Mill.) und Metamizol (13,3 Mill.). Ibuprofen und Diclofenac sind bekannt für zahlreiche Nebenwirkungen, selbst bei geringgradigen Einschränkungen der Herz- und Nierenfunktion bzw. Problemen im Verdauungstrakt sind sie eigentlich kontraindiziert.

Schmerzmittelkonsum stellt übrigens eine Mitursache für die enorme Verordnungshäufigkeit der Magensäureblocker Pantoprazol (12,1 Mill.) und Omeprazol (12,6 Mill.) dar. In Klinik und Praxis werden sie häufig automatisch als Magenschutz mitverschrieben, d. h. Schutz vor einer prominenten Nebenwirkung von Ibu, Diclo & Co.

Kann Naturheilkunde all diese Mittel einsparen? Natürlich nicht, aber der Bedarf könnte deutlich gesenkt werden. Schmerz ist ein Symptom, keine Diagnose. Besser als die bloße Unterdrückung wirken oft folgende Maßnahmen:
Im orthopädischen Bereich helfen statische Korrekturen und gezieltes Training.
Aus Sicht der chinesischen Medizin kann energetischer Ausgleich Schmerzen oft wirksam bekämpfen.
Die alte naturheilkundliche Weisheit „Entgiften und Entschlacken“ lindert ebenfalls. Über das Heilfasten gibt es neuere Studien, die die Wirkung bei Schmerz belegen.
Ähnliches bei Magenproblemen: Ernährungsumstellung mit Einschränkung von Genussmitteln, Meiden von Nikotin, Süßigkeiten und schlechten Fetten hilft, nach und nach auf Magensäure-blocker zu verzichten.

Ein dritter großer Verordnungsblock betrifft Blutdruckmittel: die Betablocker Metoprolol (15,9 Mill. Verordnungen) und Bisoprolol (12,2 Mill.) sowie den ACE-Hemmer Ramipril (13,9 Mill.). Bluthochdruck wird nicht nur durch Nikotin und Überernährung ausgelöst, sondern immer häufiger durch Dauerstress. Über Betablocker sagen Studien: Wer sie nimmt, lebt länger. Für abwegig halte ich dies nicht, denn – wie ein Drehzahlbegrenzer am Automotor – schützen Betablocker das Herz vor einer Überstimulation durch Stresshormone; trotz des zugegebenermaßen umfangreichen Beipackzettels.

Auch der Fettsenker Simvastatin (13,9 Mill.) findet sich unter den „Top 10“. Fettsenker werden nicht nur bei erhöhtem LDL-Cholesterin eingesetzt, sondern sollen generell gefäßschützend wirken. Fragt man Kardiologen, welcher LDL-Cholesterinwert optimal sei, wird meist geantwortet: „So niedrig wie möglich“. – „Also am besten Null?“ könnte man ironisch gegenfragen, da sich Hinweise häufen, dass ein sehr niedriger Cholesterinspiegel u. a. zu Müdigkeit, Vergesslichkeit und womöglich zu Alzheimer führen kann … Somit sollten auch diese Verordnungen kritisch hinterfragt werden. Da die meisten Medikamente nur symptomatisch wirken und reichlich Nebenwirkungen aufweisen, sollte sich der mündige Patient stets fragen: „Darf’s nicht ein bisschen weniger sein?“