Diesel-Gedöhns

Diesel-Gedöhns

Liebe Leserin, lieber Leser,

erinnern Sie sich noch an Buschhaus? Das Kohlekraftwerk sollte Anfang der 1980er Jahre in Betrieb genommen werden und avancierte für Monate zum vorrangigen Medienthema – wegen des Einsatzes schwefelhaltiger Braunkohle und der damit verbundenen Umweltbelastung. Die Diskussionen waren von hochkochenden Emotionen geprägt, ließen dafür aber jeglichen Pragmatismus vermissen. Ein Soziologe sprach damals von der Bundesrepublik Deutschland als einer „plebiszitären Pannendemokratur“.

Daran musste ich nun denken, als in den letzten Wochen die Diesel-Diskussion aufkam. Die Vokabel „Stickoxid“ kennt man in Deutschland erst Dank der kalifornischen Umweltbehörde CARB. Bis vor kurzem sprach man nur über CO2 und hätte am liebsten jeden Furz in Kilogramm Kohlenstoffdioxid umgerechnet … Was dann folgte, ist hinlänglich bekannt: Feige Drückebergerei von Automanagern, die nicht den Mut hatten, zu sagen: „Wir können amerikanische Grenzwerte nicht einhalten!“, sondern sich statt für Aufrichtigkeit für betrügerische Software entschieden. Eine Bundeskanzlerin, die im Jahr 2010 bei genau jener CARB mit Penetranz und Detailversessenheit eine Anhebung der Grenzwerte forderte. Über diesen Fakt schüttelt man in den USA übrigens noch heute den Kopf. Das bedeutet zumindest, dass die Machenschaften der Autoindustrie bis in höchste Politikkreise gedeckt und unterstützt wurden. Eine Art Staatsdoping für deutsche Autos.

Nun stehen Dieselverbote im Raum. Und wieder schlagen Emotionen Wellen. Noch ziemlich neue Autos werden plötzlich als „Dieselstinker“ und „alte Dreckschleudern“ bezeichnet. Eine selbsternannte „Deutsche Umwelthilfe“ produziert sich als besonders „saubere“ Organisation. Der Geschäftsführer, ein Rechtsanwalt, betont, ihm ginge es nur um saubere Luft. Da hege ich so meine Zweifel. Denn dieser Jurist macht sein Geld bevorzugt mit juristischen Abmahnungen und drangsaliert Autohändler, wenn sie Verbrauchs- und Schadstoffangaben ihrer Autos auf Schildern dokumentieren, die ein paar Zentimeter zu klein sind (Vgl. Handelsblatt). Das Bundesumweltamt in Dessau veröffentlichte bis auf die Kommastelle konkrete Todesfallzahlen durch Stickoxide und Feinstaub, musste dann aber zurückrudern: Es handele sich nur um „statistische Annäherungen“, denn auch allgemeine Lebensführung, Genussmittelkonsum, Bewegung und Ernährung spielten eine große Rolle. Das will ich aber meinen!

Tatsächlich soll die Stickoxidkonzentration in den letzten zehn Jahren merklich abgenommen haben (während sie in Wohngebieten mit Kaminöfen deutlich gestiegen sein soll und oft höher liegt, als an Messpunkten in der Stadt). Jeden Tag verschwinden ältere Dieselfahrzeuge aus dem Verkehr, sodass bereits „die Zeit“ einiges bessert. Alternative Antriebstechniken – selbst wenn diese in der Umweltbilanz auch nicht makellos sind – werden in Deutschland nur zögerlich etabliert. Bei der E-Technik haben deutsche Firmen die Entwicklung von Batterien verschlafen und sind nun komplett von asiatischen Lieferanten abhängig. Ob Brennstoffzelle und Wasserstoff wirklich schon serienreif sind? Der viel zitierte öffentliche Nahverkehr müsste eine deutlich dichtere Taktung erhalten und sollte mehr auf Straßenbahnen und O-Busse setzen. Optimierte Ampelschaltungen könnten den Verkehr verflüssigen. Ein Durchfahrtsverbot für Lieferwagen und Lastwagen brächte weitere Effekte. Und zu guter Letzt, wovon niemand redet: den Hintern mehr bewegen und kürzere Strecken einfach zu Fuß gehen!

Dr. med. Rainer Matejka