Eisen(mangel) – erstaunlich relevant

Eisen(mangel) – erstaunlich relevant

Liebe Leserin, lieber Leser,
dass chronischer Eisenmangel zu Blutarmut führt, weiß jeder. Dass chronische Müdigkeit bei jungen Frauen oft eisenmangelbedingt ist, wissen zumindest viele. Anämie und/oder Eisenmangel befördern neueren Studien zufolge aber auch depressive Verstimmungen, Erschöpfungszustände, Interesseverlust, Freudlosigkeit, Antriebsmangel, Autismusstörungen und Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrome. Eisen ist als mengenmäßig häufigstes Spurenelement unter anderem von Bedeutung für das Immunsystem, den Sauerstoff- und Energiestoffwechsel, die DNA-Synthese (zur Vervielfältigung der Erbinformation für die Zellteilung) und die Entwicklung geistig-motorischer Fähigkeiten bei Kindern.

Doch wie kann ein Eisenmangel festgestellt werden? Die Eisenspiegelbestimmung im Blut gilt als unsicher. Besser ist die Bestimmung der Transporteisensättigung (Transferrinsättigung), vor allem aber des Eisenspeichers Ferritin. Dieser stellt sozusagen die „Ladekapazität“ dar. Wie bei vielen anderen Parametern auch, wurde an den Normbereichen in der Labormedizin in den letzten Jahren reichlich herumgebastelt. Lag die untere Norm für Ferritin lange bei 20 µg/l (Mikrogramm pro Liter), wurde diese vor einiger Zeit unverständlicherweise von etlichen Laboren auf 11 µg/l abgesenkt. Dass dieser Wert zu niedrig angesetzt war, zeigten immer wieder klinische Erfahrungen bei jungen, ermüdeten Frauen, denen Eisengaben, vor allem als Injektion, rasch halfen. In einer neueren Studie zum chronischen Müdigkeitssyndrom (Fatigue) konnte die Befindlichkeit der Betroffenen nachhaltig durch das Zuführen von Eisen verbessert werden, wenn der Ferritin-Ausgangswert unter 50 µg/l lag. Auch beim Restless-legs-Syndrom sollen Ferritinspiegel wenigstens auf ein Niveau von über 30 µg/l angehoben werden. Was zeigen uns diese Erkenntnisse, über die der frühere Leiter der Eisenstoffwechselambulanz am Klinikum Hamburg-Eppendorf in der Fachpresse berichtete?

Die verbreitete Fixiertheit auf bloße Labornormen kann uns – einmal mehr (man denke an die Diskussionen zu den Schilddrüsenwerten) – in die Irre führen und zu Übertherapien oder zur Unterlassung sinnvoller Therapien führen. Für die Behandlung spielt das klinische Bild des Patienten mit seinen individuellen Beschwerden eine maßgebliche Rolle. Den Topfitten mit ein paar kleineren Laborabweichungen muss man nicht behandeln, den an verschiedenen Beschwerden Leidenden sehr wohl!

Dr. med. Rainer Matejka