Fortschrittsträume in der Medizin

Liebe Leserin, lieber Leser,

Ende der 1980er Jahre hielt mir ein Patient das Buch eines amerikanischen Autors vor die Nase. Der Titel (soweit ich mich erinnere): Medizin des 21. Jahrhunderts. Ich müsse es unbedingt lesen, weil das darin Beschriebene unglaublich faszinierend sei. Schon als ich die Kurzbeschreibung auf der Rückseite des Buches ansah, hielt sich meine Begeisterung in Grenzen, beim Querlesen des Inhaltes wurden die Zweifel eher noch größer. Ein Kapitel beschrieb neue Methoden der Arteriosklerosebekämpfung.

Demnach könnten auch langstreckig verkalkte Gefäße wie neu werden, indem man über lange Sonden eine Art Diamantfräse einführt und die verengten Arterien frei bohrt. Ähnlich wie bei einem verstopften Abflussrohr. Von Vorbeugung durch gesunde Ernährung und Bewegung kein Wort.

Gegen kaputte Organe helfe die Gentechnik. Ob Leberzirrhose, Lungenemphysem oder schwerste Herzinsuffizienz: Organtransplantationen seien nicht mehr nötig, da sich künftig gentechnische Möglichkeiten bieten, beschädigte Organe gleichsam gesund nachwachsen zu lassen. Rheuma lasse sich durch künstliche Gelenke besiegen, und zwar überall: Nicht nur Hüfte und Knie sollten fortan ersetzbar sein, sondern praktisch alle Gelenke. Und so weiter und so fort.

Was mit keinem Wort erwähnt wurde: Worin liegen eigentlich die Ursachen der erwähnten Erkrankungen? Welche Rolle spielt die individuelle Biographie? Was sollen all die neuen Methoden kosten?

Heute, gut 20 Jahre später, sehen wir eine andere Realität: auf der einen Seite tolle Apparatediagnostik; sofern es sich um echte organische Erkrankungen handelt, auch deutlich bessere Behandlungsmöglichkeiten, etwa bei Herzerkrankungen, sowie chirurgische Großtaten, auf der anderen Seite aber viel Ernüchterung. Ob Parkinson, Diabetes oder chronische Verstopfung – so richtig voran scheint es in vielen Bereichen nicht zu gehen. Das mag zum Teil an der lukrativen Tabletten- und Apparateorientierung unter Außerachtlassung physiologischer Zusammenhänge liegen.

Forscht man in dieser Hinsicht nach, ist man erstaunt über die vielen weißen Flecken. Allein die Funktionsabläufe im Magen sind nur teilweise geklärt. Grundlagenforschung ist oft schon Jahrzehnte alt, neue Erkenntnisse gibt es nur spärlich. Therapeutisch bedeutet dies bei Magenerkrankungen: meist Protonenpumpenhemmer – und das war’s. Bei der chronischen Verstopfung hat man schön klingende Begriffe wie slow transit constipation und outlet constipation kreiert, die Therapieempfehlungen bleiben aber gleich: Flohsamenschalen oder Movicol. Mehr Geld!, die notorische Forderung vieler Politiker für alles und jedes – bei der Grundlagenforschung wäre sie einmal angebracht.

Echter medizinischer Fortschritt ist also wünschenswert. Oft wäre aber schon viel gewonnen, wenn bewährte Methoden nicht in Vergessenheit gerieten. Um auf das Ausgangsbeispiel mit den freigefrästen Blutgefäßen zurückzukommen: In der vorliegenden Naturarzt-Ausgabe wollen wir aufzeigen, dass man auch ohne Diamantfräse einiges für die Blutgefäße erreichen kann. Die Naturheilkunde bietet mit ihren Kernkonzepten Ernährung, Bewegung, Wasserheilkunde und Bewusstseinstraining nicht nur wirksame Vorbeugung, sondern auch Heilmöglichkeiten. Selbst bei fortgeschrittenen Erkrankungsbildern können zum Teil noch erstaunliche Erfolge erzielt werden.

Mit den besten Wünschen