Homöopathie oder Erbsenzählerei?

Liebe Leserin, lieber Leser,

naturheilkundliche Medikamente werden seit 1. Januar 2004 von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV), Beihilfestellen und einigen Beamtenkassen in der Regel nicht mehr erstattet. Die Verordnung rezeptfreier Arzneimittel ist seither Jahr für Jahr zurückgegangen und beträgt nur noch zwei Prozent des GKV-Arzneimittelumsatzes.

Privatkassen erstatteten bislang meist „zugelassene“ naturheilkundliche Arzneimittel. Hier liegt auch der Umsatzanteil für die rezeptfreien Medikamente fünfmal so hoch wie in der GKV. Noch! Neuerdings zeigt sich bei Komplexmittelhomöopathika (das sind solche, die aus mehreren Einzelstoffen zusammengesetzt sind) folgender Trend: Die Kostenübernahme wird mit dem Argument abgelehnt, es handele sich nicht um klassische Homöopathie. Außerdem würden die Dosierungsangaben bei den Komplexmittelhomöopathika oft gegen die Regeln der Homöopathie verstoßen: Mehr als fünf Tropfen pro Einnahme seien unüblich …

Ein Grund für dieses Verwirrspiel ist die Uneinigkeit verschiedener Richtungen der Homöopathie: Offenbar sind etliche Vertreter der klassischen bzw. der Komplexmittelhomöopathie nicht imstande, auch die Ansichten des jeweils anderen gelten zu lassen. In den zuständigen Fachkommissionen sollen überwiegend klassische Homöopathen sitzen, die entsprechende Empfehlungen entwickelt haben. Das Ärgerliche für die Hersteller von Komplexmitteln: In aufwendigen und kostenintensiven Nachzulassungsverfahren haben sie ihre Arzneimittel „fit gemacht“ für den zukünftigen europäischen Markt, und nun sollen diese Präparate plötzlich nicht mehr erstattungsfähig sein. Man kann nur hoffen, dass zügig eine Kompromisslinie gefunden wird. Beide homöopathischen Konzepte haben Sinn und Nutzen.

Homöopathika, die zahlreiche unterschiedliche Wirkstoffe enthalten, bekommen heute in der Regel keine „Zulassung“ mehr, sondern lediglich eine „Registrierung“. Sie werden diesbezüglich wie ein Einzelmittel der klassischen Homöopathie behandelt – die Angabe einer Indikation (Krankheit, Beschwerde), bei der die Mittel helfen können, ist nicht mehr zulässig. Medikamente, die teilweise jahre- oder jahrzehntelang gegen oder für etwas eingesetzt wurden, müssen nun so neutral etikettiert und im Beipackzettel beschrieben werden, dass nur noch Eingeweihte wissen, wofür sie gut sind.

Das geht soweit, dass der Name dieser Präparate nicht mehr auf ein mögliches Indikationsgebiet hinweisen darf: Namensbestandteile wie etwa „pulmo“ oder „hepar“, die auf Lunge oder Leber deuten würden, sind fortan nicht mehr gestattet. Nun müssen die Hersteller ihre Medikamente umbenennen, was zu Verwirrung bei den Therapeuten führt – und bei den Patienten auch nicht gerade als vertrauensbildende Maßnahme wirkt. Man fragt sich, wer sich so etwas ausdenkt und zu wessen Nutzen es sein soll. Der Patientensicherheit dürfte es kaum dienen. Und so erleben wir wieder einmal: Was Jahrzehnte kein Problem darstellte, wird plötzlich unnötig verkompliziert. Vielleicht sollte mal ein Komplexmittel gegen bürokratische Erbsenzählerei entwickelt und bei entsprechenden Stellen verordnet werden.

Mit den besten Grüßen