Immer Ärger mit Juristen

Liebe Leserin, lieber Leser,

unterhalte ich mich in fröhlicher Runde mit Juristen, fällt irgendwann einmal die Bemerkung: Alles, was Ihr Ärzte so macht, ist doch Körperverletzung. Ich antworte dann mit folgendem Standardsatz: Wenn ein Arzt unter Lebensgefahr einem schwer verletzten Unfallopfer, eingeklemmt in einem Auto, eine Infusion legt, ist das Körperverletzung? Ihr Juristen habt einen an der Waffel … Das wirkt durchaus. Denn kleinlaut bekomme ich zur Antwort: Ja, das mit der Körperverletzung sei nur im streng juristischen Sinne gemeint. Und so geht dann die fröhliche Runde meistens mit gegenseitigem Necken und ironischen Spitzen weiter …

In einem ganz anderen Bereich zeigt sich aber in zunehmend unangenehmer Weise die Handschrift von Juristen: Es geht um Beipackzettel bei bewährten pflanzlichen und homöopathischen Arzneimitteln. Viele davon haben sich über Jahrzehnte in der Erfahrungsmedizin bewährt, ihre Wirkung ist jedoch nicht oder nur teilweise durch wissenschaftliche Studien belegt. Homöopathika ohne sicheren Wirksamkeitsnachweis gelten seit geraumer Zeit nur noch als registriert. Im Beipackzettel darf dann keine Indikation mehr stehen, sondern nur noch ein allgemeines Bla, bla, die Indikation richte sich nach den homöopathischen Arzneibildern.

Bei den Dosierungen gibt es weitere Verwirrung: Hatten viele bewährte Komplexmittelhomöopathika recht hohe Dosierungsempfehlungen, z. B. 3-mal 20 bis 3-mal 30 Tropfen, gibt es zunehmend Bestrebungen vonseiten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und mit Hilfe obergerichtlicher Rechtsprechung sämtliche Dosierungen von Homöopathika auf 3-mal 5 zu reduzieren. Das ist eine eher in der klassischen Homöopathie übliche Dosis. In dieser niedrigen Dosierung wirken aber viele homöopathischen Komplexmittel nicht. Man müsste dann dem Patienten erklären: Vergessen Sie den Beipackzettel, nehmen Sie gleich die vierfache Dosis, nämlich 3-mal 20 Tropfen, da 3-mal 5 zu schwach sind. Schafft so etwas Vertrauen? Nein, ganz im Gegenteil. Es irritiert in höchstem Maße!

Doch damit immer noch nicht genug! Zahlreiche Beipackzettel bewährter pflanzlich-homöopathischer Arzneimittel enthalten heute Hinweise wie nicht für Kinder unter 12 Jahren. Dies gilt z. B. für Spitzwegerich, ein bewährtes Mittel gegen Husten, da angeblich keine ausreichenden Studien bei Kindern vorliegen. Aber was soll passieren, wenn Kinder für ein paar Tage Spitzwegerich erhalten? Irreversible Herz- oder Nierenschädigungen etwa? Das ist absurd! Gibt es eigentlich Studien für den Einsatz dieses Mittels bei über 70-jährigen? Nein, natürlich nicht. Aber darauf kommt es wohl nicht an. Für 70-Jährige bestehen somit keine Einschränkungen.

Man sieht an diesen Beispielen, dass der gut gemeinte Ansatz, Menschen vor unliebsamen Arzneimittelnebenwirkungen zu schützen, zu einer Art Einmauerung führt. Arzneimittel, die sich seit vielen Jahren bewährt haben, dürfen nur noch stark eingeschränkt eingesetzt werden.

Mit diesem für die interessierte Bevölkerung wichtigen Thema beschäftigen wir uns unter anderem in der aktuellen Ausgabe des Naturarztes.

Mit nachdenklichen Grüßen