Japans Leid und unsere Sorgen

Liebe Leserin, lieber Leser,

erst die Erdbeben-, dann die Tsunami-Bilder, und immer wieder Fukushima. Wen bewegen nicht die Ereignisse in Japan? Ich war zweimal dort, 1989 und 2001. Auch im derzeitigen Katastrophengebiet. Die oft ­genannte Stadt Sendai erreichte man mit dem Schnellzug bequem von Tokio. Von dort konnte man in ca. 25 Minuten an die Ostküste fahren. Ich habe jetzt keine Hinweise im Internet gefunden, nehme aber an, dass dort alles überspült und zerstört wurde. Matsushima-Kaigan heißt der kleine Bahnhof, von dem wir damals zu Fuß über rote Brücken auf kleine Inseln mit japanischen Gärten und zahlreichen Tempeln gingen. Als es anfing zu regnen, lief eine Frau hinter uns her und schenkte uns einen Regenschirm. Wir haben ihn heute noch – als Andenken.

Ich kann sie bestätigen: die vielgerühmte Disziplin und Bescheidenheit der Japaner. Einmal – bei einem Zwischenstopp in den Bergen zwischen Nagano und Nagoya – haben wir einfach mangels Gepäckfächern die schwere Reisetasche für zwei Stunden auf dem Bahnsteig stehen lassen und eine Wanderung gemacht. Natürlich stand hinterher alles noch da. Gerade jetzt sollte man eigentlich wieder hinfahren, statt wie die Lufthansa als einzige Fluggesellschaft überhastet ihre Tokioflüge einzustellen. Wer solche Freunde hat, schrieb ein Literat, braucht keinen Super-Gau mehr …

Wir brauchen jetzt keine Experten mehr, die uns vorrechnen, eine Atomkatastrophe wie in Japan könne es in Deutschland „nach menschlichem Ermessen“ nicht geben. Es reicht mit den Restrisikoberechnungen! Spätestens bei der „Endlagerstätte“ Asse reichte es schon: „hält Millionen Jahre“ hieß es …, stattdessen sickerte schon nach wenigen Jahren Grundwasser ein.

Viele in Deutschland setzen schon seit geraumer Zeit auf erneuerbare Energien – man kann sie beglückwünschen für ihre Weitsicht. Nur wenige Länder weltweit sahen es bislang ähnlich, doch ich bin überzeugt: Jetzt ändert sich vielerorts vieles! Im Detail wird manches zwar nicht so einfach werden. Vor allem die Frage, wie man die „Grundlast“ bei der Stromversorgung sichern will, dürfte für Diskussionsstoff sorgen. Was ich nicht begreife: dass es trotz der enormen technischen Fortschritte auf unterschiedlichsten Gebieten nach wie vor keine effektiven Energiespeicher gibt.
In Sachen Energiewende ste­hen wir jedoch nicht mehr beim Punkt Null. Es gibt Konzepte, z. B. vom Öko-Institut in Darmstadt und anderen Institutionen für ökologische Alternativen. Wie realistisch diese Konzepte oder unter welchen Bedingungen sie realisierbar sind, darum hat sich die Politik – weltweit – bislang viel zu wenig gekümmert, sondern andere Prioritäten gesetzt. Die Formel, eine Energiewende sei „unbezahlbar“, sollte Ängste schüren, wirkt jedoch angesichts der aktuellen Bedrohung durch eine Atomkatastrophe mit womöglich dauerhaft unbewohnbaren Regionen reichlich bizarr.

Apropos Angst: Wir wissen nicht, wie sich die Dinge in ­Fukushima weiterentwickeln und welche Auswirkungen ­dies auch auf uns haben kann. Doch die teilweise hysterischen Gesundheitsängste – bezogen auf die hierzulande derzeit nicht bestehende akute Gefahr (Stand 4. 4. 2011) – finde ich angesichts des realen Leids in Japan mehr als peinlich. Und solche Angst führt, wie man an der missbräuchlichen Verwendung von Jodtabletten sieht (Informationen auf S. 21), nicht selten zum Gegenteil von „Sicher­heit“.

Mit besten Grüßen