Männerkrankheiten – bitte nicht schon wieder ein Megatrend!

Liebe Leserin, lieber Leser,

seit geraumer Zeit wird in den Medien und auch auf Therapeutenkongressen verstärkt über Männerkrankheiten gesprochen und behauptet, diese Thematik sei bislang völlig tabuisiert worden. Deswegen müsse jetzt endlich ein entsprechendes Diagnose- und Therapieangebot für die betroffene Patientengruppe geschaffen werden. Analog zu den Wechseljahren der Frau, komme es auch bei Männern zu Wechselerscheinungen, die sich in mehr oder weniger ausgeprägter Form Luft verschaffen können. Deswegen müsse man beispielsweise die Hormonspiegel ab einem gewissen Alter bestimmen und gegebenenfalls Hormone zuführen.

Schon hier erhebe ich Einspruch. Unsere Aufgabe ist es nicht, Laborkosmetik zu betreiben und etwaige Blutspiegelerniedrigungen nur deshalb zu therapieren, weil sie irgendeiner Norm nicht entsprechen. Viel wichtiger ist es, sich nach dem subjektiven Befinden des Patienten zu richten. Ich sehe keinen Grund, eine Behandlung durchzuführen, wenn sich der betroffene Mann topfit fühlt. Und außerdem: Die Verabreichung männlicher Hormone bei absinkenden Blutspiegeln ist etwas für Hasardeure. Ein wirklich hilfreicher Effekt wurde bislang nicht nachgewiesen. Man weiß aber, daß die Verabreichung von männlichen Hormonen Prostatakrebs begünstigt.

Mag sein, daß bei nicht wenigen Männern auf der Höhe des Berufslebens eine Art energetischer Einbruch stattfindet, ein Burn-out-Syndrom. Zu dessen Behandlung sind Hormontherapien aber nicht erforderlich. Dies läßt sich auch auf andere Art und Weise, z. B. durch gründliche stoffwechselentlastende, aber auch energiezuleitende Maßnahmen, wie zum Beispiel Heilfasten, Aufbauspritzen und Infusionen behandeln. Einzig bei schwerem Gewichtsverlust und allgemeiner Schwäche, zum Beispiel nach einer schweren Operation, erscheint mir eine kurzzeitige Hormongabe als „Aufbauhilfe“ denkbar.
Starker Beratungsbedarf besteht allerdings weiterhin im Bereich der Prostataerkrankungen. Seitdem mit besonderer Pingeligkeit der Krebsmarker PSA bestimmt und in vielen Fällen zusätzlich durch Ultraschall- und Gewebsentnahmen dem Organ zu Leibe gerückt wird, scheint der Prostatakrebs förmlich zu explodieren. Bei vielen Betroffenen bewegen sich die Werte aber in einer Grauzone, so daß die Frage entsteht: radikales Vorgehen oder begleitendes, zuwartendes Beobachten?

Statistiken, denen zufolge bei rund 40 Prozent der 60-70jährigen und mehr als 50 Prozent der 70-80jährigen ein nicht entdecktes Prostata-Karzinom bestehen soll, ohne jemals zu Komplikationen zu führen, lassen eher eine flexible Strategie angeraten erscheinen. Die Urologie versagt hier oft und empfiehlt schon beim geringsten Verdacht Biopsien (Gewebeentnahmen), notfalls sogar Serienbiopsien.

Bei grenzwertigen Prostatabefunden zeigt aber die Erfahrung, daß in vielen Fällen gerade bei älteren Männern ab 70 das begleitende Zuwarten ein viel besserer Weg ist als forsches Drauflostherapieren. Ob bei Männern unter 70 die Totalentfernung der Prostata die einzige Option bleibt, ist ebenfalls nicht zweifelsfrei – hierauf wies u.a. der Onkologe Prof. Dr. Ben Pfeifer (in Naturarzt 10/2001) hin. Operationsfreie Verfahren wie HIFU oder Kryotherapie (siehe Seite 17 dieser Ausgabe) könnten, obwohl ebenfalls noch umstritten, neue und schonendere Optionen bieten, ohne die Möglichkeit eines späteren noch radikaleren Eingriffes – falls er denn nötig würde – zu verbauen.

Mit besten Grüßen