Mineralstoffe und Vitamine: Sind wir alle unterversorgt?

Liebe Leserin, liebe Leser,

Unterhält man sich mit Klinikärzten oder  Ernährungswissenschaftlern über die Frage einer zusätzlichen Vitamin- und Mineralstoffzufuhr, kommt meistens die Antwort, dies sei bei einer ausgewogenen Ernährung nicht nötig. Im Gegenteil: „Vitaminzufuhr kann sogar gefährlich sein.“ Schon seit Jahren wisse man, daß Betacarotin bei Rauchern die Lungenkrebsrate erhöht. Neuerdings wird eine (fragwürdige) Studie aus den USA zitiert, derzufolge höhere Dosen von Vitamin E über längere Zeit gegeben ebenfalls die Krebsrate erhöhen sollen.   Gleichzeitig warnen Ernährungswissenschaftler ständig vor Calciummangel, Jodmangel, Eisenmangel, Vitamin-B-Mangel, Folsäuremangel und was sonst noch alles. Nicht unbedingt logisch, wenn es stimmt, daß wir „noch nie zuvor so hochwertige Nahrungsmittel“ hatten …

Auf orthomolekularmedizinischen Fortbildungsveranstaltungen wird exakt das Gegenteil behauptet: „Da die Nahrung heute kaum noch Vitamine und Mineralstoffe enthält, ist eine kontinuierliche Zufuhr von Nahrungsergänzungsstoffen weit über die üblichen Expertenempfehlungen hinaus erforderlich.“ Mitunter scheint es, mit ausgefeilter Orthomolekularmedizin könne man praktisch alle Krankheiten heilen.

Die Argumentationen beider Richtungen sind oft fragwürdig. Die Behauptung, unsere heutigen Nahrungsmittel seien vollkommen ausgelaugt, trifft pauschal keineswegs zu. Selbstverständlich hängt der Wert nach wie vor von der Frische der Nahrung, vom Standort, an dem sie produziert wurden, von Bodenqualität, Klima und Erntezeitpunkt ab.

Das Spurenelement Selen wurde in den letzten Jahren als besonders wichtig herausgestellt. Es soll Krebs verhindern und gleichzeitig antientzündliche Effekte entfalten. Neuerdings wird es sogar bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse empfohlen. Gerne wird argumentiert, die Böden in Deutschland seien selenverarmt, deswegen bestehe bei vielen ein Selenmangel. Fragt man nach, wo in Europa die Selenspiegel im Boden höher seien bzw. ob es denn in Deutschland keinerlei regionale Unterschiede gebe, erhält man keine Antwort. Blutuntersuchungen zeigen nicht gerade selten sogar erhöhte Selenspiegel – womöglich durch Kontakt mit Rostschutzmitteln, in denen Selen enthalten ist. Selen kann in erhöhten Dosen  toxisch wirken. Davon hört man wenig …

Gegner und Befürworter einer generellen Vitamin- und Mineralzufuhr machen also oft entgegengesetzte Aussagen. Die praktische Erfahrung mit betroffenen Patienten hilft weiter: Viele erschöpfte und vegetativ labile Menschen profitieren von „Aufbauspritzen“ mit Vitamin B und Mineralstoffen. Vitamin C, vor allem in hohen Dosierungen, wirkt offenbar gut bei rheumatisch-entzündlichen Erkrankungen, in noch höheren Dosierungen bei Heuschnupfen. Sinnvolle Kombinationen aus Vitamin B und Folsäure helfen, einen erhöhten Homocysteinspiegel abzusenken. Gezielte Eisenzufuhr bzw. darmoptimierende Maßnahmen, die die Eisenaufnahme verbessern, steigern die Vitalität.

Daraus ziehe ich folgenden Schluß: Die Zufuhr von Vitaminen und Mineralstoffen kann für zahlreiche Krankheits- und Beschwerdebilder hilfreich sein. Auch organisch Gesunde profitieren – zum Beispiel bei Dauerstreß oder Erschöpfung – durch eine gezielte kurmäßige Unterstützung. Ununterbrochene Dauertherapien in hohen Dosen scheinen dagegen Ausnahmefällen vorbehalten zu sein.

Mit besten Grüßen