Schwieriger Patient oder schwierige Diagnose?

Liebe Leserin, lieber Leser,

diskutieren Ärzte über verschiedene Erkrankungsbilder, kommt es oft zu kontroversen Meinungsäußerungen. Dies ist insofern erstaunlich, weil doch vieles in der Medizin angeblich eindeutig wissenschaftlich erwiesen ist. Bei einem in den letzten Jahren verstärkt aufgetretenen Krankheitsbild, das nur bedingt erforscht ist, besteht dagegen meist Übereinstimmung: Erwähnt jemand im Rahmen eines Ärzteseminars das Wort „Fibromyalgie“, ist ein allgemeines Aufstöhnen und Seufzen zu vernehmen. „Schwierige Patienten“ und „massive psychosomatische Überlagerungen“, wird geraunt. Manche sind der Auffassung, die betroffenen Patienten wollten keine Ratschläge annehmen. Ein Kollege ruft in die Runde, „da hilft nur die Ehescheidung“… In einer ärztlichen Fachzeitschrift lautet die Schlagzeile zum Thema Fibromyalgie: „Krankheitsbild bessert sich, wenn der Ehemann sich nicht mehr so sehr darum kümmert“. Der Inhalt des besagten Artikels läuft darauf hinaus, daß eine zu intensive Zuwendung durch Angehörige das Beschwerdebild eher fixiert, als Erleichterung zu verschaffen.

Diese Beispiele mögen den Eindruck erwecken, den Betroffenen werde unrecht getan, sie würden als eine Art Hypochonder abqualifiziert. Doch „eingebildet“ oder gar „simuliert“ ist das Leiden keineswegs! Die Betroffenen haben tatsächlich schillernde rheumatische Beschwerden in  unterschiedlichen Körperregionen. Druckschmerzhafte „Triggerpunkte“ in der Muskulatur sind typisch. Eine Fülle von Begleitsymptomen kommt oft hinzu: Allergien, Reizdarm, Reizblase, Schlafstörungen …

Die Schulmedizin tut sich mit allen Krankheiten schwer, die nicht mittels objektiver Diagnostik glasklar diagnostiziert und mit dazu passenden Medikamenten therapiert werden können. So auch bei der Fibromyalgie, wo laborchemisch oft nicht viel zu finden ist, zumindest nichts Eindeutiges. Und da auch die üblichen Rheumamedikamente oft nicht helfen, liegt der Schluß nahe: Wenn ich nichts „Objektives“ finden kann, ist die Krankheit auch nicht objektiv, sondern eher psychisch.

Die Naturheilkunde sollte nicht in diese Falle tappen, denn sie hat vielfach mit Patienten zu tun, bei denen die übliche Diagnostik wenig ergibt. Auf der anderen Seite können wir über die offensichtlichen psychischen Anteile eines Krankheitsbildes auch nicht hinwegsehen: Faßt man Expertenansichten zusammen, handelt es sich bei Fibromyalgiepatienten meist um sensible Menschen, fast immer Frauen. Oft besteht ein  „Life-Event“, ein einschneidendes belastendes Erlebnis in der Vorgeschichte.

Was geschehen ist, kann man nicht ungeschehen machen. Der Patient kann aber lernen, besser mit seiner Vergangenheit umzugehen. Auch Homöopathie hilft oft, Gemütslagen zu stabilisieren. In Einzelfällen kann das Beschwerdebild ein Wink sein, Dinge im bisherigen Leben zu hinterfragen und gegebenenfalls umzukrempeln. Fest steht ferner: klassische naturheilkundliche Verfahren, wie sie die Kurortmedizin einsetzt, etwa gezielte Massagen, Wasser- und Mooranwendungen, helfen. Auch wenn nicht von Stund‘ an alle Beschwerden einfach „weg“ sind, erfahren die Betroffenen Linderung.

In diesem Heft nähern sich drei Experten diesem im wahrsten Sinne „psycho-somatischen“ Beschwerdebild mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen. Die Ausführungen zeigen Ermutigendes: Zur Verzweiflung besteht kein Anlaß.

Mit besten Grüßen