Systemgastronomie auf dem Vormarsch

Liebe Leserin, lieber Leser,

über viele Jahre hinweg wurden sie von Anhängern einer gesundheitsbewussten Lebensweise zu Recht gebrandmarkt: Schnellrestaurants – waren sie doch ein Synonym für zu fette, zu eiweißreiche, zu künstliche und unökologische Nahrung, von Esskultur ganz zu schweigen. Es setzte sogar eine Gegenbewegung ein: Slow Food. Sie soll beschreiben, dass für ein hochwertiges Essen hochwertige Lebensmittel, möglichst aus ökologischem Anbau, erforderlich sind und „schnell-schnell“ diesem Geist widerspricht. Und man konnte bemerken, dass auch Fast-Food-Ketten hier und da ansatzweise versuchten, gesündere Nahrungsmittel in ihr Angebot aufzunehmen, zum Beispiel Salate, um ihr Image aufzubessern.

Nichtsdestotrotz zeigen aktuelle Wirtschaftsdaten, dass gerade diese Restaurantketten – von Fachleuten als „Sys­temgastronomie“ bezeichnet – weltweit auf dem Vormarsch sind. In Städten noch mehr, aber zunehmend auch auf dem Lande. Einzelwirte haben es da immer schwerer zu bestehen. In Deutschland sieht es in diesem Zusammenhang noch relativ günstig aus.

Worin liegen die Ursachen für diese Entwicklung? Erstens sind etliche Restaurantküchen oft alles andere als überzeugend, gerade auch in puncto vollwertiger und vegetarischer Küche. Und da auch hier mittlerweile vieles nur „aus der Tüte“ kommt, ist der Unterschied zur Systemgastronomie gar nicht so fundamental. Zweitens mag es daran liegen, dass Menschen keine lange Wartezeiten bis zum Erhalt des Essens in Kauf nehmen möchten. Drittens spielt sicher auch der Preis eine Rolle.
 
Womöglich werden Menschen in Bezug auf die Nahrungsaufnahme auch weniger experimentierfreudig. In internationalen Restaurantketten (und da gibt es mehr als nur die unvermeidlichen Burgerbrater) wissen sie – sogar weltweit –, was sie erwartet: Die gleiche Innenausstattung, die gleichen Sitzbezüge, die gleiche Beleuchtung, die nahezu gleiche Speisekarte und je nach Kaufkraft der Währung auch ähnliche Preise. Weil der Kunde genau weiß, was er erwarten kann, erlebt er nirgendwo böse Überraschungen.

Mit Lamento allein lassen sich solche Trends nicht korrigieren. Gefragt sind zeitgemäße und kundenorientierte Angebote. In größeren Städten gibt es z. B. vegetarische und/oder Vollwert-Restaurants mit Selbstbedienung und zu fairen Preisen, teilweise sogar auf der Basis von Systemgastronomie. Wer schnelle Küche haben will, bekommt sie hier, wer aber verweilen möchte, dem wird auch Wohlfühlatmosphäre geboten.

Möglicherweise wird auch die „klassische“ Systemgastronomie noch mehr Elemente gesunder Ernährung einbeziehen – vergleichbar mit dem Einzug des Bio-Sortiments in die Supermärkte. Solche Entwicklungen sind sicher zweischneidig. Obwohl ich kein Freund des ernährungstechnischen Einerleis bin und das Auf-der-Strecke-Bleiben regionaler Individualität bedauerlich finde, würde ich doch dazu raten, nicht alles negativ zu beurteilen. Man muss in solchen Trends jedenfalls nicht gleich den Niedergang der Zivilisation sehen.

Mit besten Grüßen