Über die reine Lehre (oder Leere) der Wissenschaftstheorie

Liebe Leserin, lieber Leser,

erinnern Sie sich noch an die Aufregung um eine gewisse ZDF-Wissenschaftssendung im Herbst 2007? Darin war sehr negativ über Naturheilkunde im allgemeinen und Homöopathie im besonderen berichtet worden. Da müsse man doch – wie etliche Bekannte meinten – endlich etwas tun und Gegendarstellungen etc. erwirken.

Seit Jahrzehnten immer dasselbe: Wissenschaftstheoretiker behaupten, nur exakt geprüfte Methoden hätten eine Daseinsberechtigung, und da sei nun einmal der randomisierte Doppelblindversuch – weder Arzt noch Patient wissen, ob ein echtes Medikament oder nur ein Scheinmedikament eingesetzt wird – allein gültig oder „Goldstandard“.

Wer behauptet, nur eine nach Doppelblindversuchen bewiesene Medizin habe eine Existenzberechtigung, soll beispielsweise folgende Fragen beantworten: Soll es weiterhin geben …

› eine Chirurgie? ja o nein o
 
› psychosomatische Medizin und Psychiatrie? ja o nein o

› Physiotherapie mit Massagen und Bewegungstherapie? ja o nein o
 
› Hausarztmedizin? ja o nein o
 
Wäre er konsequent, müsste der Anhänger der „reinen Lehre“ all die vorgenannten Disziplinen und noch viel mehr weitgehend abschaffen. Die leidige Diskussion um wissenschaftliche Anerkennung zeigt immer wieder: Theoretiker führen das große Wort. Die Erfahrung in der Praxis lehrt dagegen: Nicht jene Methoden, die sich in der Theorie oder in der theoretisch geadelten Versuchsanordnung bewähren, sind besonders nützlich, sondern jene, die sich in der Praxis umsetzen lassen und dort (!) zu guten Ergebnissen führen.

Auf einem Kongress in Brüssel wurde berichtet, dass mittlerweile 150 Millionen Menschen in der EU auf Verfahren der „Komplementärmedizin“ zurückgreifen. Dabei betonte der Präsident der Bundesärztekammer, Medizin sei keine exakte Wissenschaft, so dass auch Verfahren außerhalb der Schulmedizin eine Berechtigung hätten.

Die bekannte englischsprachige Fachzeitschrift „The Lancet“ formulierte vor einigen Jahren sinngemäß folgendermaßen: Wissenschaftliche Erkenntnis nur auf theoretische Versuchsanordnungen zu reduzieren, verkennt, dass die großen medizinischen Fortschritte der letzten 50 Jahre vor allem der Neugier von Forschern, der Intuition und dem Willen, in Not geratenen Menschen zu helfen, zu verdanken sind – oft auf der Basis schlechter Statistik und fehlender wissenschaftlicher Versuchsanordnung!

Wenn man dies berücksichtigt, stellt die klassische Naturheilkunde keine Außenseitermethode dar, sondern ist Basis der Medizin schlechthin. Gesunde Ernährung, Bewegung, die Beachtung naturgegebener Rhythmen und Entspannung, das sind zeitlose Wahrheiten, die angesichts steigender Zivilisationserkrankungen immer wichtiger werden. Dafür brauchen wir keine „juristische Gegendarstellung“ erwirken.

Mit den besten Grüßen