Verschwörung gegen die Naturheilkunde?

Liebe Leserin, lieber Leser,

auf die Frage, warum es die Naturheilkunde so schwer habe, eine breitere Anerkennung zu erfahren, wird oft das Argument ins Feld geführt, die mächtige Lobby der Pharmaindustrie sei schuld. Dort, in den großen internationalen Konzernen brüte man über Strategien, wirksame Naturheilmethoden zu unterdrücken, totzuschweigen und die wahren Ursachen von Krankheiten zu verschleiern. Auf diese Weise ließen sich dann teure und nebenwirkungsreiche Pharmaka leichter an den Mann bringen.

Doch die Pharmaindustrie hat es überhaupt nicht nötig, gleichsam in abgedunkelten Kellerräumen geheime Strategien gegen die Naturheilkunde auszuhecken. Sie hat nämlich einen ganz mächtigen Verbündeten: den Normalbürger. Er fragt bei einer Krankheit meist nicht nach tieferliegenden Ursachen. Schon gar nicht, wenn sich daraus die Konsequenz ergibt, die Lebensführung zu ändern. Krankheit ist für ihn vor allem „Schicksal“ und „Pech“ oder „genetisch bedingt“. Daraus leitet sich der Wunsch nach schnell wirksamen „Pillen“ oder „Tropfen“ ab. Mit 65 eine künstliche Hüfte zu haben, das hält er für „normal“. Wichtiger als die Frage, was er selbst tun kann, ist für ihn vor allem, daß „die Kasse“ zahlt …

Nun könnte man einwenden, dies liege an mangelnder Information. Zudem würden wichtige Wahrheiten über Krankheitsursachen zurückgehalten. Auch dieser These möchte ich widersprechen. Buchläden und Zeitschriften sind voller Informationen über Möglichkeiten der gesunden Lebensführung. Allerorten werden Vorträge zu gesundheitsrelevanten Themen angeboten. Auch in Schulen und Kindergärten werden inzwischen eine ganze Reihe von Gesundheitsprojekten umgesetzt. Selbst Krankenkassen – ob aus Überzeugung oder Marketinggründen sei dahingestellt – veranstalten Gesundheitstage, Lauftreffs und alle möglichen „Events“. Das Problem dabei: Man trifft dort ganz überwiegend Menschen, die schon lange gesundheitsbewußt leben, aber fast nie diejenigen, die es eigentlich anginge. Dazu mag auch beitragen, daß das Gesundheitswesen nach wie vor keine wirklichen (finanziellen) Anreize für eine gesundheitsbewußte und damit „solidarische“ Lebensführung bietet.

Gleichwohl täte es auch den Anhängern der Naturheilkunde gut, wenn sie sich mehr auf ihre Ursprünge besinnen würden. „In der Natur vorkommende Mittel und Erscheinungen“ galten einst als Kern der klassischen Naturheilkunde. Besucht man heute sogenannte Naturheilkongresse, wird alles mögliche geboten. Der zeitlose Kern ist dagegen kaum noch wahrzunehmen. Der bekannte Kneipp-Arzt Oskar Kluthe berichtete in seinen Memoiren, wie er einst in der Stadthalle Kassel einen Vortrag über gesundes Leben mit Kneipp hielt. Der große Saal war mit über 2000 Besuchern überfüllt, draußen warteten Hunderte vergeblich auf Einlaß. Das war 1932. Würde heute ein ähnliches Thema angeboten, käme höchstens eine Handvoll Menschen.

Dabei bieten gerade die einfachen Konzepte der klassischen Naturheilkunde ohne viele Schnörkel nachhaltige und ursächliche Hilfe bei den meisten Zivilisationskrankheiten. Der moderne Mensch muß sich nur auf diese Konzepte einlassen. Dann wird er erkennen, daß sie nicht antiquiert, sondern zeitlos sind, sie ihn nicht einengen, sondern den Horizont erweitern und vor allem eines verleihen: ein Stück Unabhängigkeit (Autonomie) und Selbstbestimmung.

Mit besten Grüßen