Von Heckenschützen und Studienhubern

Liebe Leserin, lieber Leser,

manche Vorträge kommen einer Art rhetorischem Afghanistan-Einsatz gleich: Man muss vor Sprengfallen und Heckenschützen auf der Hut sein. Konkret meine ich Vorträge über naturheilkundliche Konzepte, die vor eingefleischten Schulmedizinern gehalten werden. Hier gelten höchste Wachsamkeit, sorgfältige Wortwahl und staubtrockene Humorlosigkeit als wichtige Gebote.

Im November erlebte ich nach langer Zeit wieder einmal einen klassischen Heckenschützen. Nachdem ich meinen Vortrag beendet hatte, wartete er erst die Diskussion der Interessierten ab, um dann einzuwerfen, ich hätte lediglich reine Mutti-Medizin referiert, ohne jede wissenschaftliche Untermauerung. Der schulmedizinische Moderator der Veranstaltung antwortete, er möchte keine Grundsatzdiskussion über wissenschaftliche Medizin und Empirie.

In der Pause ging ich auf den Heckenschützen zu mit der Formulierung, ich hätte ihn nicht verstanden und ob er mir erklären könne, was er mit Mutti-Medizin eigentlich meine. Er holte dann aus, dass man jede Aussage nun einmal mit randomisierten Doppelblindstudien belegen müsse, sonst habe alles keinen Wert. Ich antwortete, dass dieses Konzept höchstens bei reiner Pillenmedizin funktioniert, und fragte weiter, welche Tätigkeit er ausübe und wer er sei. Er gab darauf keine Antwort. Als ich ihm erneut Nachfragen stellte, ging er einfach fort und verkroch sich schließlich tief in den Zuschauerreihen.

Ich fühlte mich irgendwie an die berühmte Spuckattacke von Frank Rijkaard gegen Rudi Völler beim legendären WM-Achtelfinale Deutschland-Holland 1990 erinnert – die Fußballfans werden wissen, was ich meine: Damals flogen beide mit roter Karte vom Platz, weil der Schiedsrichter der Meinung war, Völler hätte die Spuck-attacke provoziert. So schlimm war es hier ja nicht. Dennoch zeigte es mir wieder einmal, wie schwierig es ist, mit einzelnen Vertretern der klinischen Medizin Brücken zu einem Verständnis der Alternativmedizin zu bauen. Hier prallen einfach zwei völlig unterschiedliche Welten aufeinander, die sich auch durch gemeinsame Podiumsdiskussionen und gegenseitige Versicherungen, wir seien doch alle Ganzheitsmediziner, nicht aus der Welt schaffen lassen.

In einem späteren Vortrag ging es um Diabetes Typ II. Ernährungsumstellung und Bewegung sind zwei Maßnahmen, deren Wirksamkeit mittlerweile durch zahlreiche Studien belegt ist. Doch die referierende Kollegin stufte Ernährungsumstellung und Bewegung als in der Praxis kaum durchsetzbar (!) ein und schilderte die Einstellung eines stark übergewichtigen Diabetikers mit Tabletten und Insulin. Mein persönlicher Heckenschütze, der Anhänger von Doppelblindversuchen, konnte sich nun gar nicht mehr einkriegen – vor Begeisterung.

Frank Rijkaard hat sechs Jahre nach dem Vorfall in einem offenen Brief sein Bedauern darüber kundgetan. Damit ist hier nicht zu rechnen, und bei mir muss sich auch niemand dafür entschuldigen, dass er partout nur durch die streng genormte, studienerprobte, naturwissenschaftliche Brille schauen kann. Gelegentlich haben wir Naturheilkundler aber dennoch Anlass zur Freude, wenn ehemals hartgesottene Studienhuber einsichtig werden. Nicht selten hat dies damit zu tun, dass sie aus dem reinen Unibetrieb ausgeschieden sind und in der alltäglichen Praxis merken: Mit Naturheilkunde geht es viel
besser.

Mit besten Grüßen