Was beim Aufräumen in die Hände fällt …

Liebe Leserin, lieber Leser,

kürzlich war es wieder soweit: In Bücherregalen und Schränken gesellte sich zu senkrecht stehenden Aktenordnern und Büchern immer mehr waagerecht darauf liegendes Material. Ein Bekannter, der sich mit Statik auskennt, unkte schon, ob nicht die zulässigen Traglasten der Fußböden überschritten wären? Also höchste Zeit auszumisten. Dabei landen auch etliche Medizinbücher in der „Tonne“. Etwa ein Buch über ein längst in der Versenkung verschwundenes Medikament gegen Herzrhythmusstörungen. Das Beste an diesem Buch war nicht der Inhalt, sondern der schöne Hochglanz-Einband, der sich gut im Bücherregal machte.

Interessant ist, was einem beim Aussortieren so alles begegnet. Über manches wurde noch vor wenigen Jahren mit einer Heftigkeit diskutiert, als ob das Überleben der Menschheit davon abhinge – heute ist es in der Versenkung verschwunden.

Eine Autorin behauptete vor einiger Zeit, die vielfach empfohlene mediterrane Kost sei möglicherweise sogar schädlich und helfe vermutlich nur Menschen, die auch im mediterranen Raum leben. Eine Behauptung, gegen die auch die praktische Erfahrung spricht. Also, ab in die Tonne.

Massenhaft Artikel zum Thema Prostata: „Wie bewerte ich erhöhte PSA-Werte? Wann ist eine Biopsie erforderlich, wann nicht? Gibt es zuverlässige alternative Tests?“ Jüngst behauptete eine Studie, die Schnelligkeit des PSA-Anstieges sei unbedeutend, es komme allein auf die absolute Höhe dieses Wertes an – eine Auffassung, der ich mit Nachdruck widerspreche! (Siehe dazu diverse Naturarzt-Artikel.)

Manche Aussagen bleiben aber aktuell: Ein renommierter Psychiater regte sich vor einigen Jahren über die inflationär gebrauchte Diagnose „posttraumatische Belastungsstörung“ (PTBS) auf. Gemeint sind damit psychische oder psychosomatische Symptome, die als Langzeitfolgen eines Traumas auftreten können. Nichts gegen die Diagnose als solche, aber wenn sie zur Mode wird, ist ihr Nutzen mehr als fraglich. Besagter Psychiater kritisierte, dadurch würden endlose Therapien auch bei Menschen begründet, bei denen es gar nicht nötig sei – mit der Folge, dass akut, etwa wegen Angststörungen, therapiebedürftige Patienten keinen Therapeuten finden.

Schließlich diverse Artikel zu Anti-Aging. Was war das vor einigen Jahren ein Thema. Man hatte das Gefühl, eine Art Erleuchtung der Menschheit habe stattgefunden. Alle sollten wir auf einmal 120 Jahre oder noch älter werden (können), und dabei noch fit, fröhlich und schön bleiben. Dabei verbargen sich hinter Anti-Aging-Therapieempfehlungen oft banale Dinge, die es in der Naturheilkunde schon immer gegeben hat, nur jetzt ausgeschmückt mit einem übergeschnappten englischen Begriffsbrimborium.

Und dann halte ich ein Taschenbuch in der Hand. Es beschreibt Maßnahmen zur „Verlängerung des Lebens“: frische Luft, Meer und Berge, Ruhe, Lernbereitschaft, regelmäßige Entschlackung und Kontakt mit Pflanzen und Tieren. Nein, dieses Buch werde ich niemals wegwerfen, denn die Aussagen sind zeitlos aktuell. Es sind oft die einfachen Dinge, auf die es wirklich ankommt. In diesem Sinne bin ich mit herzlichen Grüßen

PS: Ich muss jedes Mal nach ­einer solchen Aktion feststellen: Anschließend kann man freier atmen. Nicht, dass die Bücherregale jetzt leer wären, aber wenigstens das Waagrechte auf dem Senkrechten ist weitgehend verschwunden …