Wenn Forschung in die Irre führt

Liebe Leserin, lieber Leser,

in einer großen Tageszeitung lese ich die Überschrift: „Forscher entdecken Auslöser der Arthrose“. Ich dachte eigentlich, die Ursachen vom Gelenk­(knorpel)verschleiß seien längst bekannt: Fehl- und Überbelastungen, kombiniert mit einem gestörten Stoffwechsel aufgrund von Fehlernährung. Nun habe jedoch – so der besagte Artikel – ein Forscherteam aus Münster, Hannover, Hamburg und Seoul das Molekül Syndecan-4 entdeckt. Es aktiviere Eiweißenzyme, die den Gelenkknorpel abbauen. Mittels gentechnischer Verfahren sei es dem Forscherteam in mehrjährigen Versuchen gelungen, das besagte Molekül auszuschalten. An Mäusen. Man hofft,  in fünf Jahren endlich ein wirksames Medikament gegen die Arthrose zu haben. „Bis dahin“, so die Autorin des Artikels, gelte weiterhin der Rat: „maßvoll Sport treiben und ein gesundes Körpergewicht halten“.

Und danach gilt dieser Rat nicht mehr? Diese so saloppe Formulierung belegt die gerade auch „in Fachkreisen“ oft herrschende Naivität gegenüber Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten vieler Zivilisationserkrankungen. Selbst wenn das besagte Mittel in ein paar Jahren auf den Markt kommen sollte, sage ich Folgendes voraus: Es wird astronomisch teuer sein und, da es in einen immunologischen Prozess eingreift, zahlreiche, hochgefährliche Nebenwirkungen aufweisen, die erst nach und nach zu Tage treten, bis das Mittel schließlich wieder „verboten“ wird.

Bei aller Liebe zum Fortschritt – wie man gegen die Arthrose ursächlich vorgeht, weiß die Naturheilkunde seit jeher: eher vegetarisch betonte Er­nährung (manche wurden durch „Rohkost“ von Arthrose geheilt) und regelmäßige Bewegung. Für leichtere bis mittelschwere Fälle kann dies schon ausreichen. Weitergehende Maßnahmen wie starke Medikamente und Operationen sollten  den schwereren Fällen vorbehalten bleiben.

In dieser Ausgabe beschreibt Rainer Pflaum die eminente Bedeutung der Rückenstatik für degenerative Veränderungen und chronische Schmerzprozesse am Rücken (S. 8–10). Eine ausgeklügelte Physiotherapie wäre in vielen Fällen ursächlicher, verträglicher und viel preiswerter als die übliche orthopädische (Über-)Diagnostik und Therapie. Dies ist nicht meine Behauptung, sondern das berichtete kürzlich eine renommierte Ärztezeitung.

Erstaunlich, dass die moderne Medizin so vergleichsweise einfache Dinge wie Kreuz-Darmbein-Blockaden kaum zur Kenntnis nimmt. Dabei wissen wir doch vom Auto: wenn die „Spur“ verstellt ist, zieht das Lenkrad einseitig, die Reifenprofile nutzen sich ungleich ab und langfristig kann das Radlager Schaden nehmen. Dementsprechend kann auch ein schiefes „Fahrgestell“ beim Menschen chronische Fehlbelastungen mit Arthrose und schmerzhaften muskulären Verspannungen auslösen.

Was die heutige Medizin gerade bei ­orthopädischen Problemen braucht, sind nicht so sehr neue Medikamente, sondern ein bisschen mehr Cleverness, unmittelbares Handanlegen und mehr logisches Denken in Diagnostik und Therapie. 
Mit besten Grüßen