Wer spricht denn hier von „Rossnatur“?

Liebe Leserin, lieber Leser,

keine Sorge: den Chefredakteur gibt’s noch (siehe Seite 14). Er wollte für diese Ausgabe etwas über Rossnaturen schreiben – und kam dann auf die Idee, ich könnte das für ihn besorgen …

Ihr Menschen sprecht ja von „Rossnatur“ oder „Pferdelunge“ als Hinweis auf eine unverwüstliche Gesundheit. Wenn Ihr Euch da nicht täuscht! Nehmen wir mal die bei uns häufig vorkommenden „Lahmheiten“. Das sind keineswegs immer nur problemlose Verstauchungen, oft stecken gravierendere Erkrankungen dahinter. Verbreitet ist auch die Arthrose, insbesondere wenn wir wenig bewegt werden oder eine zu eiweißhaltige Nahrung, z. B. zuviel Hafer oder frisches Gras, bekommen! Krankheiten wie „Hufrolle“ ähneln einer Sehnenansatzreizung, vergleichbar mit dem Fersensporn beim Menschen. Solche Störungen können Ausdruck von Überlastung oder Stoffwechselstörung sein.
 
Vor kurzem bin ich wieder auf die Sommerweide gekommen. Das ist ganz toll, denn da kann ich Tag und Nacht mit meinen Freunden herumtollen. Man kann uns im Frühjahr aber nicht einfach so auf die Weide mit frischem Gras stellen. Wir müssen vielmehr erst über mehrere Wochen „angeweidet“ werden. Am Anfang vielleicht eine Stunde pro Tag, dann zunehmend länger. Erst nach rund zwei Wochen können wir Tag und Nacht auf der Weide bleiben. Das Anweiden ist erforderlich, damit wir uns nach der Winterzeit erst nach und nach an die Frischkost gewöhnen können. Gras enthält Eiweiß. Im Übermaß genossen, kann es zu Durchfall oder Bauchkoliken führen, mit unter Umständen lebensbedrohlichem Ausmaß.
 
Besonders Ponys und Kleinpferde sind für eine Krankheit namens „Hufrehe“ anfällig. Dabei entwickelt sich eine Art entzündlicher Abstoßung der Hufe, die oft das Ende des Pferdes bedeuten. Die häufigste Hufrehe ist die durch falsche Fütterung (Futterrehe) …

Was ich damit sagen will: Die robuste „Rossnatur“ gab es vielleicht früher bei unseren Verwandten in Ostpreußen. Heute scheint es mir umgekehrt zu sein: Ihr Menschen seid äußerst robust. Wenn ich mir vorstelle, was viele tagtäglich so in sich hineinfuttern, und manche vertragen es über viele Jahre hinweg. Während man bei uns Pferden genau darauf achtet, dass wir z. B. nicht zuviel Eiweiß bekommen und ausreichend bewegt werden, kümmert dies beim Menschen offenbar niemanden. Im Gegenteil: Der Eiweißmast wird überall das Wort geredet. Selbst während der Sportschau am Samstagabend werdet Ihr noch mit „die Milch macht’s“-Werbung der CMA drangsaliert. Mit so einem Unsinn müssen wir Pferde uns, Gott sei Dank, nicht beschäftigen.

Wir Pferde sind mittlerweile der Auffassung, es ist bei der Lebensführung, die viele von Euch Menschen betreiben, erstaunlich, wie alt Ihr dennoch werdet. Der Mensch hat die wahre Rossnatur! Wir Pferde dagegen sind hochsensibel. Aber irgendwann müsst Ihr den Preis für jahrelange Fehlernährung und Bewegungsmangel zahlen. Er äußert sich in Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall, Arthrose, Allergien und diversen psychosomatischen Erkrankungen. Es lohnt sich also, die Naturarzt-Tips zur gesunden Lebensführung zu befolgen. In diesem Sinne, Euer