Ein Medizin-Krimi und sein Realitätsbezug

Wie viel Patienten „noch“ kosten dürfen

Liebe Leserin, lieber Leser,

während des Sommerurlaubs fiel mir ein Krimi in die Hände („Todesangst“ von Robert Cook). Der Held arbeitet als Arzt in einem amerikanischen Gesundheitszentrum, welches von einer Privatversicherung betrieben wird. Plötzlich häuft sich die Zahl rätselhafter Todesfälle: Patienten versterben „aus heiterem Himmel“ an schwerstem Schlaganfall, Herzwandruptur (Platzen der Herzkammer) und ähnlich dramatischen Ereignissen. Bei der Leichensektion stellt sich heraus, dass sie alle schwerste degenerative Veränderungen aufwiesen – die in keinster Weise bei den kurz zuvor durchgeführten Untersuchungen aufgefallen waren.

Einer der rätselhaften Todesfälle betrifft einen hoch dotierten Forscher, der sich mit der Entwicklung jung erhaltender Hormone beschäftigte. Dabei spielt die Gentechnologie eine wichtige Rolle. Bei der Erforschung dieser Substanzen wurden auch Stoffe gentechnisch isoliert, die das Gegenteil bewirken. Menschen, die diese Substanzen erhalten, altern im Zeitraffer – in wenigen Wochen um Jahrzehnte.

So kommt der Held auf die Lösung des Rätsels: Die Versicherungsgesellschaft hat die tödlichen Stoffe heimlich an Versicherte verabreicht. Bevorzugt liquidiert wurden kostenintensive Klienten mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko: Sie waren allesamt über 50, wiesen meist ein erhöhtes Körpergewicht auf, waren Raucher und in mehr oder weniger ausgeprägtem Maße tranken sie auch Alkohol und trieben wenig Sport.

Ganz so schlimm wie in diesem Medizin-Thriller (von 1990) ist es in der Realität noch nicht. Aber Lichtjahre davon entfernt sind wir womöglich auch nicht mehr. Was die Kosten anbelangt, ist sowohl das Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherung, als auch der gesetzlichen Krankenkassen faktisch tot, zweifellos in erster Linie eine Folge politischer Untätigkeit.

In Ländern wie Schweden ist es bereits üblich, bei uns wird es noch ganz zaghaft in Expertenkreisen diskutiert: „Priorisierung“. Darunter versteht man, dass nicht mehr jeder Mensch zu jeder Zeit Anrecht auf sämtliche zur Verfügung stehenden Gesundheitsleistungen hat. Vielmehr wird gewichtet, bei wem der Einsatz entsprechender Mittel Erfolg verspricht – und wer es quasi weniger verdient hat. Das Schlagwort „Prioritäten setzen“ bekommt dabei gelegentlich einen makabren Beigeschmack.

Selbst wenn man sich bei politischen Sonntagsreden noch so dagegen sträubt: Wir sollten uns auf derartige Diskussionen einstellen. Schon heute werden mitunter wichtige Untersuchungen und Behandlungen unterlassen, andererseits aber viel Unnötiges durchgeführt, wenn es sich „rechnet“.

Ein gewisser Skeptizismus ist daher angebracht – bei allem positiven Denken, dass gerade auch in dieser Zeitschrift immer wieder propagiert wird. Dies bedeutet jedoch nicht, absurden Verschwörungstheorien zu huldigen, wie sie teilweise auch in alternativ-medizinischen Kreisen gepflegt werden. Ein gesunder Skeptizismus bedeutet vielmehr, nicht alles enthusiastisch zu bejahen – stattdessen das Bewährte und Sinnvolle wieder klarer zu erkennen.

Mit besten Grüßen