Rückenschmerzen: Vorsicht mit Befunden und vorschneller Diagnose

Rückenschmerzen: Vorsicht mit Befunden und vorschneller Diagnose

„Im Kreuz“ hat es fast jeder einmal – ob als Hexenschuss, als diffuser Schmerz oder Unbeweglichkeit. Meist sind Muskelverspannungen daran schuld, die aber im MRT oder CT nicht sichtbar sind. Dafür sieht man andere Wirbelsäulenbefunde, die dann fälschlicherweise als Ursache herhalten müssen.

Rückenschmerzen stehen in Deutschland an erster Stelle für Krankschreibungen und an dritter Stelle für Frühinvalidität. Dazu passt scheinbar folgende Statistik: In Deutschland wurden 2012 circa 160.000 Bandscheibenoperationen vorgenommen. Die Zahl dieser Eingriffe hat von 2008 bis 2013 um 38 Prozent zugenommen. Bandscheibenoperationen werden in Deutschland fünfmal häufiger durchgeführt als z. B. in Frankreich. Aber ist die Bandscheibe wirklich immer der Übeltäter?

Als häufigste Ursache kommt eine akute Muskelverspannung in Frage, zum Beispiel ein Hexenschuss. Es kommt hierbei ganz plötzlich, meist nach einer unbedachten Bewegung, durch Muskelverspannungen zu einer sogenannten „Blockierung“ kleiner Wirbelgelenke oder des Iliosakralgelenks (ISG). Doch heute wird bei Rückenschmerzen häufig nicht zuerst die Muskelverspannung, sondern die Bandscheibe angeschuldigt. Das wäre jedoch nur dann naheliegend, wenn gleichzeitig Lähmungserscheinungen auftreten, z. B. dass ein Fuß nicht mehr gehoben werden kann oder die Kraft im Bein abgeschwächt ist, dass die Entleerung von Blase oder Darm gestört ist oder ein Taubheitsgefühl auftritt.

Weitere heutzutage oft angeführte mögliche Ursachen sind Spinalkanalstenose, Wirbelgleiten, Osteoporose oder Arthrose. Gemeinsam mit der verrückten Bandscheibe ist ihnen, dass sie sich gut mit bildgebenden Verfahren darstellen lassen. Doch Vorsicht, dieser Weg führt schnell in die Irre, wie Dr. med. Andreas Weiß, Facharzt für Rheumatologie, im Naturarzt schreibt: „Viele Menschen weisen nämlich durchaus eindrucksvolle röntgenologisch erkennbare Abnutzungszeichen an der Wirbelsäule auf – ohne dadurch Schmerzprobleme zu haben. Oft werden durch unnötige Röntgenuntersuchungen Patienten mit dem Diagnose-Etikett „Verschleiß“ bzw. Arthrose versehen, obwohl die Rückenschmerzen ganz andere Ursachen haben.“

Solche „Etikettierung“ kann sich zum einen unmittelbar für das Gesundheitsempfinden des Patienten und den Krankheitsverlauf negativ auswirken, es kann aber auch zu Fehl- und Übertherapie in Form von unnötigen Medikamenten und Operationen sorgen. Um die verschiedenen möglichen Ursachen besser voneinander abzugrenzen, sollten bei einem akuten Rückenschmerz zur Diagnosestellung vor allem eine gründliche Anamnese, die Betrachtung der Haltung der Wirbelsäule und ihrer Beweglichkeit sowie Funktionsprüfungen wichtiger Muskeln und Nerven im Vordergrund stehen.

Ausführliche Informationen von Dr. med. Andreas Weiß in Naturarzt 4/2015.

Foto: Shutterstock/Stasique