Probiotika: Hilfstruppen für den Darm?

Die Werbung spricht mit Bakterien angereicherten Lebensmitteln (vor allem Joghurts und anderen Milchprodukten) ein breites Spektrum gesundheitsfördernder Effekte zu: Probiotika sollen das körpereigene Immunsystem stärken, Verdauungsbeschwerden bessern und Neurodermitis vorbeugen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Zum einen hat jeder Bakterienstamm eine andere Wirkung, und zum andern man müsste die teuren Produkte täglich und dauerhaft zu sich nehmen, um einen Nutzen zu erzielen.

Wer heutzutage ins Milchkühlregal greift, trifft schon lange nicht mehr nur auf Milch, Quark, Joghurt und Co. Da tummeln sich – seit Jahren zunehmend – Fläschchen und Becher mit wissenschaftlich klingenden Aufschriften wie Yakult, Actimel, LC1, BIAC oder Activia. Auch Naturkostläden bieten entsprechende Varianten an.

Einige Wirkungen probiotischer Bakterien gelten heute als wissenschaftlich gesichert: Sie fördern die Milchzuckerverwertung bei Milchzuckerunverträglichkeit und helfen, bestimmten Durchfallerkrankungen vorzubeugen bzw. sie zu behandeln. In puncto Laktoseverträglichkeit sind zwar klassische Sauermilchprodukte den Probiotika überlegen. Bei Durchfällen sollen dagegen die heutigen probiotischen Keime potenter sein.

Und wie steht es nun um die Wirkung aufs Immunsystem? Die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel in Kiel untersuchte gesunde Erwachsene, die zwei Winter lang Probiotika zu sich nahmen. Die Probanden erkälteten sich gegenüber Vergleichspersonen zwar nicht seltener – wie es die Werbung suggeriert! Doch ging die Erkältung schneller vorüber und war weniger intensiv.

Allerdings, nicht nur jede Art, sogar jeder Stamm von Probiotika wirkt auf seine ganz eigene Weise. Etwa ein Dutzend verschiedener Stämme werden in Lebensmitteln eingesetzt. Der eine fördert mehr den Stuhlgang (die Werbung spricht fälschlicherweise von „Verdauung“), der andere aktiviert Abwehrzellen, der nächste hält entzündungsfördernde Immunzellen im Zaum. Die meisten der vielversprechenden Wirkungen wurden in Studien mit Bakterienpräparaten (!) und keineswegs mit Lebensmitteln erreicht, wie sie in den Supermarktregalen stehen. (Bakterienpräparate werden seit langem in der Naturheilkunde zur Darmsanierung und Immunregulation eingesetzt.)

Wer einen Nutzen aus den probiotischen Lebensmitteln ziehen möchte, müsste sie in jedem Fall täglich, möglichst auf Dauer verzehren. Denn einen festen Platz in der etablierten Darmflora des Erwachsenen können sie nicht ergattern. Billionen von Mikroorganismen, die sich schätzungsweise aus 400 bis 500 Arten und Unterarten zusammensetzen, leben in uns.

Von Mensch zu Mensch gleicht keine Darmflora der anderen! Allein diese Tatsache lässt erahnen, dass einzelne positive Bakterien in Lebensmitteln nur ein kleines Mosaiksteinchen im Gesamtgeschehen sein können. Die Folgen der verbreiteten fett- und eiweißreichen, ballaststoffarmen Kost kann kein probiotischer Drink allein ins Lot bringen.