Sonnengegner kommen in Argumentationsnöte

Sonnengegner kommen in Argumentationsnöte

Interview mit Prof. Dr. Jörg Spitz zu Vitamin D und Sonnenbaden

Die Angst vor Hautkrebs hat zu einem gespaltenen Verhältnis gegenüber dem Sonnenbad geführt. Doch in den letzten Jahren deutet sich ein gewisses Umdenken an. Dies hat maßgeblich mit dem „Sonnenhormon“ Vitamin D zu tun. Aufklärung darüber im Naturarzt-Interview mit Prof. Dr. Jörg Spitz.

Naturarzt: Wahrscheinlich gibt es eine lange Liste, an welchen Vorgängen und Funktionen Vitamin D beteiligt ist. Welches sind die wichtigsten?
Prof. Spitz: Es senkt den Blutdruck, fördert das Immunsystem, schützt die Nervenzellen (z. B. vor MS), fördert eine Schwangerschaft und schützt ihren Verlauf, verbessert die Überlebensrate von Patienten mit koronaren Herzerkrankungen, reduziert das Risiko für Diabetes Typ I und Typ II, schützt vor peripherer arterieller Verschlusserkrankung, kräftigt die Muskulatur und verzögert die Pflegebedürftigkeit im Alter.

Naturarzt: Reicht es für unseren Vitamin-D-Haushalt aus, wenn wir öfters spazieren gehen bzw. wie viele „Einheiten“ an der frischen Luft würden reichen?
Prof. Spitz: Wenn man sein gesamtes „Sonnensegel“ (etwa zwei Quadratmeter Hautoberfläche) um die Mittagszeit für etwa zehn bis 15 Minuten der Sonne aussetzt, produziert man locker 10.000 bis 20.000 Einheiten Vitamin D. Wenn Sie natürlich nur ihre Hände und ihr Gesicht exponieren, können Sie sich ausrechnen, wie viel Prozent Ihrer Hautoberfläche das sind und wie wenig Vitamin D Sie auf diese Weise produzieren können. Und das funktioniert bei uns nur im Sommer.

Naturarzt: Kann man im Sommer einen ausreichenden Vitamin-D-Vorrat für den Winter anlegen?
Prof. Spitz: Grundsätzlich geht das schon. Aber dazu müssen Sie dann mehrfach in der Woche für mehrere Stunden im Freien sein. Dann schaffen Sie wahrscheinlich – wie ein Schwimmmeister im Freibad – einen Blutspiegel von 80 oder 100 ng/ml. Ab Oktober geht es dann jedoch bergab und Ende März ist nicht mehr allzu viel übrig.

Naturarzt: Nehmen wir einmal an, die Mehrheit der hiesigen Bevölkerung schafft es realistischerweise nicht, oft genug Sonne zu tanken – was sind dann die möglichen Alternativen für den Vitamin-D-Haushalt?
Prof. Spitz: Man sollte also über den Winter entweder einen Sonnenurlaub – irgendwo im Süden oder auf der Sonnenbank – einlegen oder konsequent pharmazeutisch hergestelltes Vitamin D zuführen.

Naturarzt: Sie haben eben nebenbei das Solarium als mögliche Alternative im Winter empfohlen. Dies widerspricht der Warnung von 20 Fachorganisationen, u. a. dem Bundesamt für Strahlenschutz und der Deutschen Krebshilfe …
Prof. Spitz: Die Sonnen- und Solariengegner kommen zunehmend in Argumentationsschwierigkeiten: Versuchstiere entwickeln den bösartigster aller Hauttumore (Malignes Melanom) völlig ohne jeden Einfluss einer UV-Strahlung. Nach dem Besuch einer Standard-Sonnenbank – mittlerweile liefern fast alle Geräte neben UVA auch einen UVB-Anteil, der für die Vitamin-D-Bildung erforderlich ist – lässt sich eine Erhöhung des Vitamin-D-Spiegels nachweisen. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen Vitamin-D-Mangel Schaden an seiner Gesundheit zu nehmen, ist um ein vielfaches höher als durch eine moderate Sonnenexposition.

Hinweis: Es handelt sich um gekürzte Interview-Auszüge. Das vollständige Interview findet sich in Naturarzt 6/2015.

Foto: Fotolia/Markomarcello