Wie gesund ist die GLYX-Diät?

Die blutzuckerbewusste Glyx-Diät soll dabei helfen, das erwünschte Körpergewicht zu erreichen. Der Einfluss auf den Blutzuckerspiegel wird in Tabellen erfasst und zum Maßstab gesunder Ernährung gemacht. Nach ihnen wäre purer Haushaltszucker gesünder als gekochte Möhren … So erweist sich die Zauberformel nicht nur als kurios, sondern als durchaus problematisch!

Der „Glykämische Index“ (Glyx) gibt an, wie stark ein Lebensmittel den Blutzucker in die Höhe treibt. Traubenzucker (Glukose) entspricht dem Wert 100. Alle anderen Lebensmittel setzt man hierzu in Relation. Ein Lebensmittel mit einem Glyx von 50 lässt den Blutzuckerspiegel nur halb so stark ansteigen wie Glukose. Um den Glyx zu ermitteln, verzehrt eine Testperson 50 Gramm Kohlenhydrate, also z. B. 118 Gramm Weizenvollkornbrot oder 263 Gramm Kartoffeln. Im Anschluss wird mehrmals der Blutzuckerspiegel gemessen.

Steigt der Blutzuckerspiegel durch eine kohlenhydratreiche Mahlzeit rasant an, gibt der Körper übermäßig viel zuckersenkendes Insulin ins Blut ab. Dieses sorgt dafür, dass Zucker in die Körperzellen gelangt und zu Fett umgebaut wird. Da zuviel Insulin im Blut verbleibt, senkt es den Blutzuckerspiegel unter den Normalwert. Durch diesen „reaktiven Unterzucker“ stellt sich rasch ein erneutes Hungergefühl ein, wir essen weiter – und nehmen zu. Nahrungsmittel mit niedrigem Glyx führen dagegen zu einer geringen Insulinausschüttung und damit zu einer länger andauernden Sättigung, geringerer Fettanlagerung und verzögerten und damit besseren Verwertung des Zuckers.

Problem 1: Glyx-Tabellen bewerten den Einfluss eines einzigen Lebensmittels. In der Regel besteht eine Hauptmahlzeit jedoch aus verschiedenen Bestandteilen, die vereint völlig andere Eigenschaften aufweisen und den Blutzucker meist weniger stark erhöhen. Gekochte Kartoffeln z. B. haben einen relativ hohen glykämischen Index (70). Kombiniert man diese jedoch mit Kräuterquark, so verzögert dies die Wirkung erheblich.

Problem 2: Laut Glyx-Tabelle zählen auch Wassermelonen, Kürbis und gekochte Karotten zu den nicht empfehlenswerten Lebensmitteln. Wie kommt’s? Es liegt an der Berechnung: Um 50 Gramm Kohlenhydrate aufzunehmen, müsste man 1 Kilogramm Melone, 800 Gramm gekochte Karotten, 100 g Weißbrot, 92 g Vollmilchschokolade oder eben 50 g Traubenzucker essen. Bei der Betrachtung des Glyx müsste also unbedingt die Portionsgröße bzw. der Kohlenhydratanteil pro 100 Gramm (!) mit einbezogen werden, um eine korrekte Aussage über den Blutzuckeranstieg machen zu können. Denn wer isst schon 800 Gramm gekochte Karotten – und dies auch noch pur, auf nüchternen Magen?

Da wir von vielen Lebensmitteln mit hohem Glyx nur wenig essen, wirken sie auch nicht so stark blutzuckersteigernd. Umgekehrt gibt es Lebensmittel mit eher mäßigem Glyx, die wir aber in großen Mengen verzehren. Um dieses Problem zu lösen, wurde die „glykämische Last“ (englisch: glycemic load, GL) eingeführt, die den Glyx in Bezug zur Verzehrmenge des Lebensmittels umrechnet:

► Gekochte Möhren haben einen hohen GLYX (85), wenn wir aber beim Mittagessen nur ca. 150 Gramm davon essen, liegt die GL unter 10, also niedrig.

► Dagegen weisen Spaghetti al dente einen niedrigen bis mäßigen GLYX auf (45), wenn wir uns davon aber ordentlich auf den Teller packen (ca. 250 g), liegt die GL deutlich über 20, also hoch.

Dies löst aber nur eines der Probleme mit dem Glyx, ganz abgesehen davon, dass Essen nach Tabellen weder besonders attraktiv noch in der Praxis einfach ist: Sowohl Glyx wie auch GL ändern sich, je nachdem was an anderen Nahrungsmitteln wie Ballaststoffen und Fetten verzehrt wird. Man kann diese Werte im Grunde kaum für eine gesamte Mahlzeit, nur für einzelne Lebensmittel (und Verzehrmengen davon) errechnen.

Entscheidend ist zudem nicht der Blutzuckeranstieg allein, sondern die Insulinausschüttung. Wird Getreidestärke und Obstzucker gemeinsam mit tierischem Eiweiß (aus Fleisch, Fisch, Milch, Eiern) verzehrt, wird durch diese Kombination die Insulinausschüttung nahezu vervierfacht. Solche Kombinationen sind zum Beispiel: Obst-Joghurt, Obst-Quark, Käse- und Wurstbrote, Käse-Pizza etc.

Wer abnehmen will, sollte nach Erkenntnissen von Dr. D. Pape und anderen Verfechtern einer „Insulin-Trennkost“ solche Kombinationen möglichst meiden, vor allem abends. Pape spricht von „Low Carb am Abend“. Dies mag sinnvoll sein, ist jedoch keine allgemeine Empfehlung für „Low Carb“ bzw. gegen Kohlenhydrate.

Die sogenannten „Low-Carb-Diäten“ (Wenig-Kohlenhdrate-Diäten) werden in der Regel nämlich mit ähnlichen Argumenten verfochten wie die Glyx-Diäten, sind aber schon älteren Ursprungs. Sie verringern die Zufuhr von Kohlenhydraten generell mit infolgedessen erhöhtem Verzehr von Eiweiß und Fett. In der ursprünglichen Form, wie von Robert Atkins propagiert, wird dabei hauptsächlich auf tierische Produkte zurückgegriffen.

Egal wie erfolgreich man damit kurzfristig abnimmt – Atkins starb übergewichtig –, langfristig ist diese Diät gesundheitsschädlich, denn sie begünstigt Herz-Kreislauf- und rheumatische Erkrankungen (u. a. durch die Arachidonsäure in tierischen Produkten). Außerdem besteht aufgrund des Überangebots an Eiweiß die Gefahr von Überflutung des Körpers mit Harnsäure, was zu Gichtanfällen führen kann. Auch manche Varianten von sogenannter „Steinzeit-Diät“ weisen diese Risiken auf.

Fazit: Kohlenhydrate müssen nicht generell reduziert werden, sie sind ein wertvoller Energielieferant, sofern man auf die Qualität der Kohlenhydrate achtet, also zum Beispiel Vollkornprodukte bevorzugt, deren Zuckeranflutung ins Blut langsam erfolgt. Eine vollwertige Ernährung mit hohem Gemüseanteil beinhaltet die erwünschten Effekte einer Glyx-Diät auf den Blutzucker- und Insulinspiegel – auch ohne Tabellen zu befolgen. Karotten, Kartoffeln und Co sollten wir uns nicht durch isolierte und missverstandene Erkenntnisse der Ernährungswissenschaften mies machen lassen.

Naturarzt-Artikel zum Thema:
► Eva Lischka: „Low Carb am Abend: Abnehmen im Schlaf – wie geht das?“ Naturarzt 1/2008
► Karin Possin: „Schokolade statt Möhren – GLYX macht’s möglich“, Naturarzt 1/2005
► Bettina Pabel: „Was die fettreiche Atkins-Diät taugt“, Naturarzt 1/2004